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Gibt es ein Recht auf ein Kind?

Die moderne Medizin kann heute in rund einem Viertel der Fälle Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch helfen – für die Betroffenen ein großes Glück. Aus theologischethischer Sicht tun sich allerdings viele Fragen auf. Kirchenvertreter geben zu bedenken, dass sich aus den Möglichkeiten, die die Medizin heute hat, eine Art Anspruchshaltung für Paare ableitet. Jeder kann ein Kind haben. BENE sprach mit der Moraltheologin Dr. Katharina Klöcker (Foto) von der Ruhr-Universität Bochum über die Spannungen zwischen Glauben, Machbarkeit und Realität.

 

BENE: Womit wird aus Kirchensicht die grundsätzliche Ablehnung zur Fortpflanzungsmedizin begründet?

Klöcker: Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes, betont das kirchliche Lehramt. Und meint damit, dass die künstliche Befruchtung die Würde des Kindes gefährde, weil es so zum Produkt eines medizinischen Eingriffs werde. Sie lehnt die künstliche Befruchtung ab, weil Sexualität, Liebe und Fortpflanzung nicht voneinander getrennt betrachtet werden dürften. Bei einer Befruchtung im Reagenzglas sei der eigentliche Zeugungsakt nicht mehr Teil der liebenden Vereinigung der Ehepartner. Diese Position ist aber umstritten: So nimmt das Zweite Vatikanische Konzil die eheliche Liebe in ihrer Ganzheit in den Blick. ‚Ort‘ der Zeugung ist dann die partnerschaftliche Liebe im Ganzen. In dieser Perspektive wäre eine homologe Befruchtung moralisch nicht grundsätzlich unerlaubt.

 

BENE: Wer sich sehnlichst ein Kind wünscht, betet vielleicht zu Gott, doch wenn der ihn nicht erhört …?

Klöcker: Es gibt kein Recht auf ein Kind, sonst würde man einen anderen Menschen ja funktionalisieren, um sich selbst Recht zu verschaffen. Es gibt allerdings ein berechtigtes Interesse, Vater oder Mutter zu werden. Für viele ist das ein großer Lebenswunsch. Ungewollt kinderlose Paare ringen unglaublich hart damit, dass ihr Wunsch nicht erfüllt wird. Manche akzeptieren schweren Herzens die Kinderlosigkeit und trauern lange Zeit; andere versuchen, die dafür verantwortlichen Faktoren herauszufinden und dann gegebenenfalls medizinische Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Da gibt es ja viele Optionen, auch von unterschiedlicher moralischer Qualität. Wichtig ist, immer auch die Folgen der jeweiligen Entscheidung in den Blick zu nehmen.

 

BENE: Worauf führen Sie die enorme Bereitschaft von Frauen/Paaren zurück, sich hormonell und psychisch aufreibenden Behandlungen zu unterziehen?

Klöcker: Diese Bereitschaft ruft oft Erstaunen hervor oder sogar Unverständnis. Es schwingt zuweilen der Vorwurf mit, Paare würden sich dem Irrglauben verschreiben, alles sei machbar und dementsprechend handeln. Ich weiß nicht, ob das den Kern der Sache trifft. Wer schwer erkrankt ist und eine Behandlung angeboten bekommt, die eine 25- bis 30-prozentige Heilungswahrscheinlichkeit hat, wird diese in den allermeisten Fällen auch dankbar in Anspruch nehmen. Natürlich besteht heute die Gefahr, dass wir glauben, es sei alles medizinisch machbar. Aber gerade die Reproduktionsmedizin lehrt doch anderes: Drei von vier unfruchtbaren Paaren müssen die bittere Lektion lernen, dass längst nicht alles machbar ist. Ethisch in der Pflicht sehe ich aber sehr wohl Ärztinnen und Ärzte in so genannten Kinderwunschpraxen. Sie sollten nicht suggerieren, im Prinzip sei tatsächlich alles machbar.

 

BENE: Was sagen Sie zu der Gleichung: unerfüllter Kinderwunsch = unerfülltes Leben?

Klöcker: Für Menschen mit Kindern mag ihr Lebenssinn wohl eher auf der Hand liegen. Ungewollt kinderlose Menschen müssen nicht nur die Trauer um den Verlust ihres Lebenswunsches tragen, sondern auch noch einmal nach einer anderen Sinngebung suchen. Das gelingt vielen in beeindruckender Weise. Umfragen zeigen übrigens, dass die Lebenszufriedenheit bei Menschen mit und ohne Kinder gleich hoch ist. Aber es ist für Kinderlose eine sehr viel größere Herausforderung. Und es tut ein Leben lang immer wieder weh, mit der Tatsache, keine Kinder zu haben, konfrontiert zu werden. Vielleicht sollte man auch die Perspektive verändern und nicht nur von der Erfüllung eines Wunsches sprechen, sondern auch davon, dass vor allem Frauen massive körperliche und seelische Strapazen auf sich nehmen, um einem Kind das Leben zu schenken.

 

BENE: Kinderlosigkeit ist immer noch ein Tabuthema. Aber es ist zumindest gesellschaftlich akzeptiert, wenn Paare sich helfen lassen. Sehen Sie mittelfristig einen Wandel in der Betrachtung?

Klöcker: Ja, ich denke, wenn die Entwicklung anhält, dass Frauen und Männer erst spät Eltern werden, wird es auch immer selbstverständlicher werden, dass Paare auf diesem Wege Kinder bekommen.

BENE: Wie kann die Kirche Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch helfen?

Klöcker: Ich kenne Kinderlose und Alleinstehende, die sich wünschen, dass die Kirche sich nicht nur für Familien stark macht, sondern mehr Räume öffnet für die, die diese familiäre Lebensform in ihrer klassischen Gestalt nicht wählen wollten oder nicht wählen konnten. Dass bei ihnen aus der Trauer auch Segen erwächst – in welcher Form auch immer – daran könnte Kirche mitwirken.

Das Gespräch führte Jutta Laege

Foto: privat

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