September 2024
NIE MEHR SPRACHLOS
Stammtischparolen richtig kontern
Sie begegnen einem immer wieder und keineswegs nur beim Stammtisch in der Kneipe – bei einem Gespräch im Urlaub, bei einer Familienfeier, bei einem Treffen mit Bekannten oder am Kiosk in den Schlagzeilen einiger Zeitungen: typische Stammtischparolen. Dann heißt es zum Beispiel, dass „die da oben“ machen, was sie wollen. Dass es Klimaveränderungen schon immer gegeben hat. Dass Steuergelder angeblich für geflüchtete Menschen ausgegeben werden und die Deutschen leer ausgehen. Dass Familien auseinanderbrechen, weil Frauen Karriere machen. Vielen Menschen verschlägt es bei solchen Parolen die Sprache. Dabei ist es wichtig, ihnen etwas entgegenzusetzen. Wie gelingt das am besten?
Die Wahrscheinlichkeit, in eine solche Gesprächssituation zu kommen, steigt. Denn populistische, antidemokratische oder rassistische Einstellungen verbreiten sich weiter in unserer Gesellschaft, wie die Studie „Die distanzierte Mitte“ der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Demokratie auf unter 60 Prozent. „Stammtischparolen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, bestätigt Daniela Linka, Bildungsreferentin beim Institut für Diversity, Innovation und nachhaltigen Praxistransfer (DINX) in Bochum.
Wie kann man auf solche Aussagen, die polarisieren und oftmals mit einer Abwertung von Menschen einhergehen, reagieren? Entscheidend ist, überhaupt zu reagieren – und nicht einfach wegzuhören. „Wenn wir Vielfalt möchten, sollten wir zeigen, dass wir für Vielfalt stehen“, sagt Daniela Linka. Und das bedeutet, den Äußerungen entschieden entgegenzutreten. „Wenn wir keine Gegenposition beziehen, werden die Thesen aufrechterhalten“, so die Expertin. Sie hat aber die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen solchen (rechts-)populistischen und abwertenden Äußerungen etwas entgegensetzen möchten.
Diesen Bedarf hat auch die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung im Bistum Essen (KEFB) erkannt. Der Bildungsträger bietet deshalb zum Beispiel am Standort Bochum Kurse zum Thema an (siehe „Weitere Informationen“). „Das Klima in unserer Gesellschaft wird rauer“, sagt Matthias Menke, pädagogischer Mitarbeiter bei der KEFB. „Es ist unser Auftrag aus unserem christlichen Menschenbild, den Menschenrechten, dem Grundgesetz und dem Leitbild der KEFB, dem etwas entgegenzusetzen.“
Auch seine Kollegin Veronika Spanke, ebenfalls pädagogische Mitarbeiterin in der Bildungseinrichtung, spürt, dass die Verunsicherung in der Gesellschaft stark zunimmt. Daraus ergebe sich vielfach der Wunsch nach Vereinfachung, der sich in solchen verallgemeinernden Sätzen wie Stammtischparolen zeigen könne.
Haltung dagegen zeigen – wie kann das praktisch gehen? „In der Ruhe liegt die Kraft“, empfiehlt Bildungsreferentin Daniela Linka. „Wichtig ist, ruhig zu sprechen und nicht laut zu werden.“ Dennoch sollte aus der Erwiderung klar hervorgehen, dass es sich um eine Absage an Stammtischparolen handelt – auch im Sinne der Zuhörenden, die anfangs meist unentschlossen sind, sich dann aber oft solidarisieren.
Die Gefahr bei solchen Gesprächen kann sein, dass das Gegenüber sich belehrt fühlt. Deshalb ist es wichtig, der anderen, dem anderen auf Augenhöhe zu begegnen. „Hilfreich ist gezieltes Nachfragen“, rät Matthias Menke. Zum Beispiel so: Wie kommst du darauf? Sind das deine persönlichen Erfahrungen? Oder: Wie meinst du das? Welches Problem siehst du dahinter? „Es geht darum, seinem Gegenüber wirklich zuzuhören und zu versuchen, seine Perspektive zu verstehen. Dann steigt die Chance auf einen echten Dialog, der nicht vorschnell in einer Belehrung endet“, erklärt Veronika Spanke.
Manchmal kann es auch hilfreich sein, mit Fakten zu argumentieren, gerade dann, wenn man sich mit dem Thema auskennt. Solche Gespräche brauchen etwas Übung, deshalb gibt es spezielle Trainings, beispielsweise bei der KEFB. Manchmal kann es auch passieren, dass man die Parolenschwingenden selbst nicht erreicht – dafür aber die außenstehenden Menschen, bei denen das Gespräch oftmals noch nachwirkt.
Hin und wieder fällt einem erst später ein, was man hätte sagen können. Dann kann es sinnvoll sein, das Gegen- über noch einmal anzusprechen, zum Beispiel so: „Ich habe noch einmal über unser Gespräch nachgedacht ...“ In bestimmten Situationen ist es aber entscheidend, sofort und unmissverständlich zu reagieren, etwa dann, wenn Menschen Schutz brauchen, weil sie durch rassistische Äußerungen herabgesetzt werden. „Dann ist durchaus deutlicher Widerspruch nötig“, so Menke. „In jedem Fall müssen Menschen spüren: Ich höre nicht weg, ich nutze meine Stimme.“
Weitere Informationen
Die Katholische Erwachsenen- und Familienbildung im Bistum Essen bietet in Bochum zwei Veranstaltungen zum Thema an:
„Stammtischparolen“ – Wie reagieren? Workshop zum Umgang mit Parolen, Palaver und Populismus
• Montag, 28. Oktober 2024, 18.00 bis 20.30 Uhr
• Donnerstag, 20. Februar 2025, 18.00 bis 20.30 Uhr
Veranstaltungsort: KEFB Bochum, Am Bergbaumuseum 37, 44791 Bochum, Information und Anmeldung per E-Mail unter bochum-wattenscheid@kefb.info oder Telefon 0234 9508911.
Text Jutta Oster