Juni 2025
QUEER UND HIER
Vielfalt im Bistum Essen
Was es bedeutet, seine eigene Sexualität verheimlichen zu müssen, hat der Dokumentarfilm „Wie Gott uns schuf“ 2022 eindrucksvoll gezeigt. In der ARD- Sendung kamen etliche queere Menschen zu Wort, die mit viel Herzblut für die Kirche arbeiten, allerdings an verschiedenen Stellen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität von ihr ausgegrenzt oder in ihren Rechten eingeschränkt werden. Das hat einiges in Bewegung gesetzt. Der Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt ist jetzt Thema – in den Bistümern und in Rom. Auch Ludger Schepers, Weihbischof im Bistum Essen und Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für queere Pastoral, setzt sich bundesweit für die Rechte, den Schutz und die seelsorgliche Begleitung queerer Menschen ein. „Kirche muss ein sicherer Ort für sie sein. Gerade jetzt, wo sie an vielen Orten von Gewalt und Hass bedroht sind“, betont er. „Laut Bundesinnenministerium ist die Zahl der Straftaten, die sich gegen diese Personengruppe richtet, in den letzten Jahren stark gestiegen.“ Umso mutiger ist es, offen über das Spannungsfeld zu reden, in dem man als queere Person in der Kirche oft lebt – so wie es diese zwei Menschen aus dem Bistum Essen hier in BENE tun.
Jens Watteroth ist Pastor in der Pfarrei St. Gertrud von Brabant in Bochum-Wattenscheid. Er schloss sich 2022 dem Netzwerk „Out in Church – für eine Kirche ohne Angst“ an und machte seine Homosexualität öffentlich.
„Nach meinem Outing habe ich viel Unterstützung bekommen, was mich bestärkt hat. Ich habe aber auch Unverständnis erhalten, nach dem Motto: Der lebt doch eh im Zölibat, da spielt es doch keine Rolle, welche Sexualität er hat. Dazu möchte ich sagen: Zum einen gehört das zum Menschsein dazu, zum anderen spielt es für die Kirche durchaus eine Rolle, welche sexuelle Orientierung ich habe. Bis heute dürfen homosexuelle Menschen nicht zum Priester geweiht werden.
Mir wurde lange vermittelt, dass es mich, so wie ich bin, gar nicht geben darf. Das hat mich verunsichert. Ich habe mich gefragt, ob die Leute mich auch annehmen würden, wenn sie wüssten, wie ich wirklich bin. Jetzt kann ich sagen: Ich bin schwul, das ist ein Teil von mir. Ich muss das nicht in jedem Gespräch betonen, aber allein die Möglichkeit zu haben, das sagen zu können, verleiht mir eine innere Freiheit, die mir hilft.
Hier in der Pfarrei erlebe ich ein sehr offenes Umfeld. Ich habe zum Beispiel die Möglichkeit, queere Menschen in ihren Partnerschaften zu segnen – allerdings nur mit Einschränkungen. Und das ist das Problem. Queersein wird ,irgendwie‘ toleriert. Aber das ist nicht die Aufhebung von Diskriminierung. Ich wünsche mir, dass die Kirche endlich anerkennt, wie bunt und divers sie bereits ist. Queere Menschen gehören zur Kirche dazu, und zwar von Anfang an.“
Cleo Schmitz ist Mitglied bei der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und im Vorstand des Pfarrgemeinderats der Pfarrei St. Peter und Paul in Bochum. Vor vier Jahren outete sie sich als „trans“. Sie kam als Mann auf die Welt, lebt aber jetzt als Frau.
„Ich war 49, als ich wusste, ich bin trans. Vorher habe ich versucht, in das klassische Männerbild zu passen, das hat aber nicht funktioniert. Ich dachte lange, ich bin kaputt. Ein schlechter Mann, ein schlechter Mensch.
Als ich herausfand, dass ich trans bin, war das für mich eine Befreiung. Ich war damals bereits im Vorstand des Pfarrgemeinderats meiner Pfarrei. Alle kannten mich nur als Mann. Da habe ich mich gefragt, was passiert, wenn ich mich oute. Darf ich das Amt auch als Transfrau behalten, oder soll ich es lieber zurückgeben? Ich habe dann die Vorstandsvorsitzende um Rat gebeten. Sie hat zu mir gesagt: ,Cleo, du wurdest nicht als Frau oder als Mann gewählt, du wurdest als Mensch gewählt. Behalt das Amt doch einfach.‘ Das war ermutigend. Bei der nächsten Pfarrgemeinderatssitzung, die in einer Kirche stattfand, erzählte ich allen, dass ich trans bin. Daraufhin habe ich viel Unterstützung und Respekt bekommen.
Ich erlebe im Bistum Essen eine große Offenheit, dafür bin ich dankbar. Auch die Frauen in der kfd gehen ganz normal mit mir um, was mich sehr freut. Ich wünsche mir aber, dass es generell mehr Verständnis für Menschen gibt, die queer sind. Es ist an der Zeit, dass die Kirche ihre veraltete Ansicht, dass alle auf die gleiche Art und Weise katholisch sein müssen, endlich mal ablegt.“
Das Bistum Essen pflegt einen respektvollen Umgang in der Begegnung mit allen Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Es hat 2023 das „Netzwerk Queer“ auf den Weg gebracht, das die Interessen und Perspektiven bündelt und zum Beispiel Gottesdienste für queere Menschen organisiert.
Mehr zu dem Netzwerk auf bistum.ruhr/netzwerkqueer
Text Kathrin Brüggemann