Querbeet

BENE-Glosse: In den Untiefen der Warteschleife

Foto: shutterstock.com/Virinaflora

LA-LE-LU MIT STADIONHUPE

Hier kommentiert BENE-Autor Paul Philipp Themen, die ihn und die Welt bewegen, auf seine Weise: Überspitzt. Diesmal geht’s ins Warteschleifen-Fegefeuer

Geduldig locken zum Advent wieder irgendwelche Lifestylemagazine mit tollen Diäten, damit wir vor, während und nach den Feiertagen abnehmen. Leute mümmeln tagsüber an einer Möhre oder zwei Radieschen herum, um abends drei Dominosteine zu mampfen und nach vier Tagen festzustellen, dass sie einfach nicht abnehmen. Und da geht es ihnen wie in vielen Callcentern. Dort wird oft auch nicht abgenommen. Dafür säuselt eine Computerstim-me: „Unsere Abfrageplätze sind zurzeit alle belegt. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“ Dann folgt: „Piep! Piep!“

Dabei sollen all die Servicenummern von Unternehmen oder Behörden eigentlich dafür sorgen, dass wir uns als Konsumentin und Bürger so richtig verstanden fühlen. Also greifen wir bei einem Problem beherzt zum Handy, wählen die Hot-line und schon ertönt – das Besetztzeichen. Manchmal kommen wir durch und landen in der Warteschleife. Hier gaukelt uns die Dienstleistungswüste eine akustische Fata Morgana vor. Ein langes „Piiiiieeeep!“, dann knackt es, und eine meist weibliche Stimme erklärt uns ihr Anliegen: „Bitte legen Sie nicht auf!“

Danach dudelt eine Melodie in unserer Ohrmuschel herum, und die Stimme erinnert uns: „Bitte legen Sie nicht auf!“ Nach 30 Minuten sind wir bereit, die Stimme zu enttäuschen, und probieren eine andere Nummer. Kommen durch und treffen die nächste Frau: „Bitte haben Sie etwas Geduld.“ Sie klingen alle ähnlich. Sie müssen verwandt sein. Mit etwas Pech geht ihre Cousine ran. Die ist eher wortkarg: „Bitte warten!“

Sprache und verwandte Geräusche lösen Gefühle aus. Ange-nehme, die ein Baby in den Schlaf finden lassen, wenn die elterliche Stimme am Bettchen sanft „La-Le-Lu“ singt, aber auch Angst und Sorge, wenn das Baby brüllt wie eine Stadion-hupe. Klänge und Lieder begleiten uns manchmal ein ganzes Leben. Wer als Kommunionkind ein beherzt georgeltes „Großer Gott, wir loben dich“ erleben durfte, zu dem ein sonntäglich proppenvolles Kirchenschiff schmettert, dem kann später selbst in Zeiten größerer Glaubenszweifel noch ein wohliger Schauer über den Rücken laufen.

Im außerkirchlichen Bereich kommen manchem heute noch mit dem Steigerlied die Tränen, andere beschwören Brüder, Sonne und Freiheit, und wieder andere nutzen die Macht der Töne, um uns etwas zu verkaufen. Eine bekannte Tonfolge hierzulande ist C-C-C-E-C. Doch, kennen Sie. Hören Sie nur: „Da-da-da-di-da.“ Kleine Hilfe: fünf kurze, helle Klaviertöne. Sie wurden vor Jahren wie ein Mini-Ohrwurm in unsere Ge-hörgänge gesetzt, um als akustisches Erkennungsmal zu die-nen. Na, klingelt’s? Genau! Die Tonfolge aus der Telefonwer-bung. Auch vertraut aus unvergesslichen Mußestunden in der Endloswarteschleife der „Da-da-da-di-da“. Ausgedacht, weil Marketingstrategen wissen, dass Menschen zwar wegse-hen können, aber nicht weghören. „Da-da-da-di-da“ weckt bis heute Emotionen, aber nur selten die gewünschten.

Letztens verriet mir eine persönlich klingende Stimme nach einer kleinen Ewigkeit im Fegefeuer der Warteschleife, dass sie mir nun doch helfen möchte, und versprach, mich weiter-zuleiten. Dann kam Gedudel, und nach zwei Minuten brach die Verbindung ab. Anschließend war sogar das Fegefeuer besetzt. Seitdem überlege ich, mich auf eine alte indianische Kommunikationstechnik zu besinnen: Trommeln. Und zwar mit den Fäusten gegen die Eingangstüren des Callcenters. Aber dort extra hinzufahren – dafür fehlt mir die Geduld.

 

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