Lebensart

Mit Tanz und Gloria

Frauen tanzen
Foto: Alexandra Roth

12 Frauen haben sich an diesem Samstag in der Fastenzeit in der Karmelkirche in Duisburg versammelt, um in neue Erfahrungswelten zu tauchen. Die h-Moll-Mes-se von Johann Sebastian Bach steht auf dem Programm. Aber hier kommt sie vom Band, denn sie ist lediglich die Garnitur, das Beiwerk für eine experimentelle und spirituelle Begegnung mit sich selbst, mit dem sakralen Raum, mit Gott

Zunächst läuft es hier aber ohne die Orgelklänge der Barockzeit. Die Leiterin des Tanztages, die Heilpraktikerin Hildegard Stockhofe aus Duisburg, hat verschiedene Materialien mitgebracht. Holzlatten und Steine  liegen im Kirchenschiff. Ihr Schweigen ist die Aufforderung: Macht etwas damit!  

Andächtig nehmen die Teilnehmerinnen die Balken, beginnen zu experimentieren: Da wird eine Barrikade errichtet und wieder abgetragen, da wird das Holz zum Schwebebalken, zum Alphorn, zum Schwert, zum Brett vorm Kopf, zum Kreuz. Aber auch zum rettenden Verbindungsstück. Was von außen befremdlich wirkt, erfüllt die Frauen merklich mit Muße und Besinnlichkeit. „Ich sehe das Material und dann kommen die Ideen“, erklärt Teilnehmerin Eva Schumacher. „Ich will mich bewegen und finde es herrlich, mit diesen Dingen in die Bewegung zu gehen.“

Die Stille und die langsamen, bedächtigen Bewegungen erinnern an eine Meditation, auch an eine Yoga-Stunde. Menschen, die suchen und finden, die sich Zeit nehmen, sich und ihre unmittelbare Umgebung zu erspüren – und auch das, was die Übung mit ihnen macht.  Hildegard Stockhofe, die als Heilpraktikerin regelmäßig Körpertherapie und Tanz  in ihrer Praxis anbietet, hat die h-Moll-Messe als Untermalung bewusst ausgewählt. „Die meisten Teilnehmerinnen haben einen christlichen Hintergrund“, sagt sie. „Und Jesus war ein großer Heiler.“  Zum „Christe eleison“ formieren sich die Frauen im Kreis um den Altar der Karmelkirche. „Schritt, Schritt, Schritt, rück, ran, vor, vor, wiege, wiege, seit ran“, gibt Stockhofe leise vor. Und siehe da:  Das 1733 entstandene, so bedeutende geistliche Werk Bachs lässt sich doch  sonderbar leicht rhythmisch tanzen. „Alles Lernen, ob emotional, sozial oder kognitiv, auch über uns selbst hängt mit Bewegung zusammen“, erklärt Stockhofe und  zitiert einen Vers von Rilke: „Nah ist das Land, das wir das Leben nennen“. Als nach etwa einer Stunde Bachs Gloria ertönt, sind die Anspannung und Konzentration in den  Gesichtern der Frauen einer fast schon kindlichen Freude gewichen. Sie lächeln. Ihre Bewegungen sind weich geworden, ihre Augen haben einen anderen Ausdruck, eine andere Leuchtkraft. „Beseelt sein“, trifft  es irgendwie.

„Wunderbar, dass so etwas in einem Kirchenraum möglich ist“

Liturgie als Tanz – das war und  ist in anderen Kulturkreisen durchaus üblich. „Von seinem Ursprung hat Tanz ja etwas sehr Sakrales“, meint Stockhofe. „Denken wir an indigene Völker, die im Tanz eine Verbindung zu etwas Höherem suchen. Oder schlicht an Hochzeitstänze in Dörfern in Griechenland oder Israel. Da gibt es noch diese Tradition.“ Teilnehmerin Karin Kolbe pflichtet ihr bei: „Das ist für mich ein  tieferer Gottesdienst. Hier kann ich in  einer geschützten Form sein, wie ich bin.“ Teilnehmerin Christine Kleinebreil findet es wunderbar, „dass so etwas in einem Kirchenraum möglich ist“.

Tanz und Bewegung fließen, es geht jetzt wie von selbst. Im zweiten Teil des Tanztages werden noch mal Steine und Latten bewegt, geschultert und getragen: Formen geben, Grenzen ziehen, über Hindernisse gehen  – all das sind Themen, die die Frauen spielerisch zur Musik erfahren. Und die Osterbotschaft ist –  bewusst oder unbewusst – sehr präsent. Vieles dreht sich um Endlichkeit und Unendlichkeit,  um Tod und Leben. Teilnehmerin Karin Kolbe hat schon häufiger mitgetanzt und glaubt an diese erneute intensive spirituelle Erfahrung: „Die Auferstehung muss sein. Da warten wir alle drauf!“

MEDITATIVES TANZEN

Unter dem Titel „Tanzen und  Schweien“ bietet Hildegard Stockhofe regelmäßig an jedem ersten Dienstag im Monat, 19 bis 21 Uhr, meditativen Tanz in der Karmelkirche an. Getanzt werden einfache Kreis- und Wegetänze, die zusammen mit einfachen Körperübungen in die Stille führen. Kurgebühr: freiwillig, einzeln zu besuchen, ohne Anmeldung.

Informationen: https://karmel-duisburg.eu/aktionen/tanz/

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