Lebensart

Mit dem Rad gegen die Depression anstrampeln: Mut-Tour in Duisburg, Mülheim und Oberhausen

Mit schwerem Gepäck machen sich die Tour-Teilnehmer Inge, Sebastian, Austi, Valentin, Cara und Christian (v. l. n. r.) auf den Weg

NUR MUT!

DAS GEHT! Gemeinsames Radfahren HILFT gegen die depression

Text Kathrin Brüggemann I Fotos Achim Pohl

„Natürlich spreche ich über meine Krankheit“, sagt Inge selbstbewusst. Sie sitzt auf dem schwer bepackten Tandem und tritt kräftig in die Pedale. „Dafür bin ich schließlich hier.“ Die 60-Jährige gehört zu einem der Teams, das mit der „Mut-Tour“ durch Deutschland radelt. Das Ziel: Auf das Thema Depressionen aufmerksam zu machen. BENE hat sie und ihre Gruppe bei der Fahrt durch Oberhausen, Mülheim und Duisburg begleitet.

„Ich gelte als chronisch depressiv, da ich schon länger als vier Jahre mit der Erkrankung zu tun habe“, gibt sie ohne Umschweife zu. Die Teilnahme an der Mut-Tour ist daher für sie eine echte Herausforderung: Mit fünf weiteren Teilnehmern radelt sie von Münster aus durch den Ruhrpott, die Rheinschiene entlang. Nach insgesamt zwölf Tagen wird sie Mainz erreicht haben. Täglich fährt sie zwischen 60 und 80 Kilometer, übernachtet im Zelt, spricht mit Journalisten. Belastungen, die sie in akuten Krankheitszeiten nicht durchstehen würde.

„Um an der Aktion teilzunehmen, ist eine gewisse Stabilität Voraussetzung“, erklärt Sebastian Burger, Initiator der Tour. Auch er geriet vor einigen Jahren in eine psychische Krise. Damals wanderte er wochenlang an der Weser entlang, nutzte Sport als Antidepressivum. Mit der Mut-Tour will er anderen Betroffenen die Möglichkeit geben, Bewegung und Gemeinschaft als Präventionsmittel einzusetzen. „Wir beleuchten das schwere Thema Depression endlich mal vor einem positiven Hintergrund. Betroffene ziehen sich nicht zurück, sondern werden aktiv . Sie zeigen, wie man mit dieser Krankheit umgehen kann.“

Die Tour sei allerdings, so betont er, kein therapeutisches Projekt, sondern stelle eine Säule der Selbsthilfe dar. Denn Aktivität, und das ist wissenschaftlich erwiesen, kann depressiven Zuständen entgegenwirken. Das gleichmäßige Treten hat eine positive Wirkung auf die Stimmung, da Glückshormone ausgeschüttet werden. „Dass man aus eigener Kraft von A nach B kommt, ist ein tolles Gefühl“, bestätigt Cara (47) lächelnd. Die sympathische Frau erkrankte vor drei Jahren. Damals konnte sie ihren linken Arm plötzlich nicht mehr bewegen. „Es hat allerdings lange gedauert, bis man herausgefunden hat, dass die Schmerzen psychosomatischer Natur sind.“

Bedauerlich: Obwohl laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurzeit etwa vier Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression leiden, wird nur jeder Zweite angemessen behandelt. Ein Grund dafür: Viele Betroffene schämen sich. Sie schweigen lieber, anstatt sich Hilfe zu holen. Noch heute spricht Cara, die als Angestellte im Kulturbereich arbeitet, nicht mit ihren Kollegen über die Depression. „Es ist nicht so, dass ich es nicht sagen will. Oft sind die Ohren dafür einfach nicht offen.“

Dabei können Depressionen jeden treffen. „Da ist ein großes Nichts, ein Verlust von Gefühlen und Energie“, erinnert sie sich an die dunkle Phase ihrer Erkrankung. Dank ihrer Ärzte und ihrer Familie gehe es ihr heute besser. „Meine Aufgabe ist es jetzt, nach Aktivitäten zu suchen, die mir gut tun.“ Deshalb die Entscheidung für die Mut-Tour. Vor allem die Teamarbeit gibt ihr Kraft. „Das ist ein starkes Miteinander.“

Inge findet nicht nur in der Gemeinschaft mit dem Team, sondern auch in der Gemeinschaft mit Gott Halt. „Das Wissen, dass ich ein geliebtes Wesen bin, das trotz seiner Fehler gewollt ist, hat mir sehr geholfen“, sagt sie nachdenklich. „Gott möchte schließlich, dass wir heil werden und uns nicht mit einer Depression rumschlagen müssen.“ Im Moment muss sie sich vor allem mit ihrem schmerzenden Gesäß rumschlagen, das sich nach mehreren Stunden auf dem Fahrradsattel bemerkbar macht. Doch davon lässt sich Inge nicht beirren. Sie fährt tapfer weiter. Denn: Aufgeben gilt nicht.

Die sogenannte „Mut-Tour“ ist Deutschlands erstes Aktionsprogramm auf Rädern, das einen Beitrag zur Entstigmatisierung der Depression als Erkrankung leistet. Menschen mit und ohne Depressionen radeln in Teams von Stadt zu Stadt, um Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Drei Monate lang geht es in insgesamt zwölf Fahrrad-Etappen etwa 7000 Kilometer durch Deutschland. An 40 Tagen gibt es in über 70 Städten Mitfahr-Aktionen.

Weitere Infos unter: www.mut-tour.de

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