Bewegung

Mit dem Fahrrad von Duisburg bis nach Rom

Das Pilger-Symbol begleitete den Duisburger Alfred Giesen auf seiner Reise.
September 2022

AUF ACHSE
Glücklich gescheitert: Alfred Giesen (73) wollte von Duisburg aus nach Rom zum Papst radeln

Alfred Giesen hat seinen 40-Tonner gegen ein Fahrrad getauscht – und ist damit weiter gekommen, als sein Freundeskreis ihm zugetraut hätte. Er selbst musste aber erst einmal eine große Enttäuschung überwinden. Von seiner Heimatstadt Duisburg aus hatte er sich mit dem Rad auf den Weg gemacht, um den Papst in Rom zu treffen. Doch in der Schweiz platzte der Traum – fürs Erste.

Es hatte so vielversprechend angefangen, alles schien eine glückliche Fügung zu sein. Als der Speditionsfahrer 2014 in den Ruhestand ging, stand für ihn fest: „Ab der Rente nur noch zu Hause die Füße hochlegen? Nichts für mich! Ich bin einer, der immer ein bisschen Action braucht.“ Bei der Suche nach einer neuen Herausforderung half ihm ausgerechnet sein Orthopäde nach einer Knie-OP auf die Sprünge. „Er meinte, Radfahren sei jetzt für mich das Beste. Nicht mit dem E-Bike. So richtig in die Pedale treten.“

Und das tat der Duisburger, der fast 30 Jahre nicht mehr auf einem Drahtesel gesessen hatte. Er schloss sich 2015 einem Radclub an, mit dem er seitdem regelmäßige Touren machte. Doch er wollte weiter hinaus als die wöchentlichen 50 Kilometer. Der Papst-Plan reifte langsam heran. Warum war sein Ziel ausgerechnet das Oberhaupt der Katholischen Kirche? „Ich gehe eigentlich nicht in die Kirche. Höchstens mal, um irgendwo Kerzen anzuzünden für die Familie. Aber ein gläubiger Mensch bin ich schon. Und da ich katholisch erzogen worden bin, war bei mir schon ein großes Interesse am Vatikan vorhanden“, erzählt Alfred Giesen, und seine Augen leuchten: „Der Petersdom – das ist doch das Größte!“

Bis er diesen tatsächlich zu Gesicht bekam, musste er einen Umweg voller Frustmomente in Kauf nehmen. „Jeden Tag 100 Kilometer mit dem Rad: Das habe ich gut gepackt, da war ich selbst überrascht“, gibt Giesen zu. „Ab Basel war dann geplant, einen Teil der Strecke mit dem Zug zu fahren. Durch die Alpen zu radeln, diese eine Sache habe ich mir nicht zugetraut. Aber dann war genau zu dem Zeitpunkt keine Verbindung möglich: Die hatten dort Kapazitätsprobleme. Ich hätte erst ein paar Tage später eine Fahrt buchen können, bei der ich das Fahrrad hätte mitnehmen dürfen. Damit wäre allerdings mein ganzer Zeitplan hinfällig gewesen. Ich hatte ja einen festen Termin für die Papstaudienz.“

Resigniert brach Alfred Giesen die Tour ab. Mit dem Zug ging es zurück nach Duisburg. Eine turbulente Fahrt, zum Teil mit alkoholisierten Menschenmassen, den Rückkehrern eines großen Rockmusikfestivals. Keine schöne Erinnerung für den 73-Jährigen. Erst zu Hause begann das Grübeln, ob er es nicht doch auf anderem Wege rechtzeitig zu seinem Papstbesuch schaffen könnte. „Ich habe dann kurzfristig eine Flugverbindung gefunden – und gleich meine Frau mitgenommen. Angie fährt nicht Fahrrad. Aber ansonsten verreist sie gerne – und war noch nie in Rom. Es passte alles perfekt! Und sie konnte dann sogar als Begleiterin mit zur Generalaudienz“, freut sich der Duisburger im Nachhinein.

Giesen konnte sich im Petersdom den erhofften Stempel für sein Pilgerbuch abholen und erlebte ein versöhnliches Ende seiner Tour. Auf dem Petersplatz sah und hörte er mit vielen Menschen aus aller Welt Papst Franziskus zu. „Das war etwas Besonderes. Da ist man innerlich ein bisschen aufgewühlt. Man kennt das ja nur von Oster- und Weihnachtsmessen aus dem Fernsehen. Und dann steht man auf einmal selbst da“, schwärmt er.

„Ich habe natürlich vorher von einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Papst geträumt“, gibt der Duisburger zu. „Ich hätte ihn gerne gefragt, wie er sich fühlt. Persönlich und mit all den kirchlichen Aufgaben.“ Auch wenn es dazu nicht kam, hat Alfred Giesen unvergessliche Erfahrungen gemacht. „Am Anfang, in den ersten Tagen mit dem Rad, habe ich besonders die Natur genossen. Die schönste Strecke war das Mittelrheintal zwischen Bonn und Bingen. Bei diesen Etappen in Deutschland habe ich nette Menschen kennengelernt. Da war zum Beispiel der Optiker in Remagen, der mir nach einem Sturz meine Brille kostenlos repariert hat, als er bemerkte, dass ich Pilger war. Oder der Mitarbeiter eines Hotels zwischen Speyer und Ludwigshafen, der mir aus demselben Grund ein Zimmer mit einem dicken Rabatt überlassen hat – an einem Tag, als ich befürchtet hatte, unter freiem Himmel schlafen zu müssen, weil alles ausgebucht schien“, erzählt der Rentner gut gelaunt.

Dann wird die Stimme des 73-Jährigen plötzlich leiser. „Ich hatte unterwegs auch viel Gelegenheit, über mich selbst nachzudenken, über mein ganzes Leben. Ich habe viel Mist gebaut früher, in meiner ersten Ehe, aus der drei Kinder stammen. Vielleicht kam auch daher der Wunsch zu pilgern. Man will sich von innen ein bisschen reinigen. Ich habe jedenfalls erkannt, dass ich viel Glück gehabt habe im Leben.“ Dafür ist Alfred Giesen dankbar. Und hat mit seiner Pilgerreise den alten Spruch bewiesen: Der Weg ist das Ziel.

Text Sandra Gerke

 

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