Endlich in Sicherheit! Hilfe für Frauen in Not

Sozialarbeiterin Joanna Ostrowick im Gespräch

Sozialarbeiterin Joanna Ostrowick im Gespräch mit einer Klientin. Foto: Achim Pohl

Sozialarbeiterin Joanna Ostrowicki (Foto links) leitet die Duisburger Fachberatungsstelle der Menschenrechtsorganisation SOLWODI. Sie kümmert sich mit ihrem Team um Frauen, die Opfer schlimmster Verbrechen geworden sind. 2019 waren das in Deutschland laut Angabe der Organisation mehr als 2600 Personen aus 112 Ländern – und die Anzahl der Betroffenen steigt. Ein Großteil der Opfer geriet in die Fänge von Menschenhändlern und wurde zur Prostitution gezwungen.

So erging es auch der 15-jährigen Shari aus Afrika (Name zum Schutz der Person geändert). Sie verlor ihre Eltern schon als Kleinkind. In ihrem Heimatland lernte sie einen Mann kennen, der ihr ein besseres Leben in Aussicht stellte. „Er war unheimlich freundlich zu ihr“, berichtet Joanna Ostrowicki. „Er hat ihr Essen gekauft und ihr versichert, dass er sie adoptieren wird, wenn sie mit ihm nach Deutschland kommt.“ Shari glaubte ihm in der Hoffnung, zur Schule gehen zu dürfen und endlich ein richtiges Zuhause zu haben.

Nichts davon wurde wahr. Kaum war sie in Deutschland, sagte er zu ihr: „Pack deine Sachen! Du wirst das Geld, das du mich gekostet hast, abarbeiten, indem du eine Woche mit einem Mann verbringst.“ Mit den Worten „gute Ware“ stellte er sie dem Fremden vor. Sein Ziel: möglichst viel Geld mit dem jungen Mädchen zu verdienen. Shari schaffte es, aus der Wohnung des Mannes zu fliehen und in den nächstbesten Zug zu springen. An einem Bahnhof bat sie einen Passanten um Hilfe. So landete sie schließlich bei SOLWODI. „Das war ein Glücksfall“, sagt Joanna Ostrowicki. „Viele Frauen schaffen es nicht zu entkommen. Sie sind jahrelang in den Händenihrer Zuhälter, bevor sie dank einer Razzia der Polizei zu uns gebracht werden.“

Shari lebt jetzt in einer Schutzwohnung, in der sieben betroffene Frauen und Mädchen sicher und anonym untergebracht werden können. „Die meisten Klientinnen – ob aus Europa, Afrika,
Asien oder Südamerika – haben bereits in ihrer Kindheit physische oder psychische Gewalt erfahren. Das trägt dazu bei, dass sie später in Abhängigkeitsverhältnisse geraten“, erklärt die Sozialarbeiterin. Die betreuten Frauen seien als Opfer von Gewalt und Unterdrückung oft psychisch labil und mutlos. „Nur durch eine intensive, behutsame und fachliche Begleitung ist es möglich, mit jeder Klientin ein Konzept zur Rückgewinnung ihres Selbstvertrauens zu entwickeln“, schildert Joanna Ostrowicki.

Bevor die Frauen in eine Regelschule oder in einen Deutschkurs vermittelt werden können, brauchen sie einen Rückzugsort, den sie in der Schutzwohnung finden. Joanna Ostrowicki steht ihnen in dieser schweren Zeit zur Seite. „Wir sind für die Frauen da“, sagt die gebürtige Polin lä-
chelnd. Bevor sie die Stelle bei SOLWODI übernahm, arbeitete sie in der Kindertagespflege. Dank ihrer einfühlsamen Art fassen die Bewohnerinnen schnell Vertrauen zu ihr. „Manchmal setzen sie sich einfach so zu mir“, sagt sie. „Dann unterhalten wir uns ein wenig.

Nicht nur Ausländerinnen landen bei ihr – auch deutsche Frauen gehören zu den Opfern. Einige von ihnen wurden mit der sogenannten Loverboy-Methode gefügig gemacht. Loverboys sind junge Männer, die gezielt nach Minderjährigen suchen, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen und sie später in Form von Zuhälterei auszubeuten.

Eine der Betroffenen dieser Methode wird von Joanna Ostrowicki betreut. „Die junge Frau hat im Gerichtsprozess gegen den Täter ausgesagt, sodass er verurteilt werden konnte“, sagt sie zufrieden. „Inzwischen lebt sie in einer anderen Stadt und fängt dort ganz von vorne an. Meine Kolleginnen und ich tun alles dafür, um unseren Klientinnen eine Perspektive geben zu können.“

Sie bauen ihnen eine Brücke in ein neues, hoffentlich besseres Leben. Unterstützt werden sie dabei von Ehrenamtlichen, die mit den Frauen Ausflüge machen, ihnen Deutsch beibringen oder
Reparaturen in der Wohnung vornehmen. Auch Spenden helfen der Organisation sehr. „Das Geld ermöglicht es uns, unseren Klientinnen mehr anzubieten als das, was ihnen zusteht.“

Joanna Ostrowicki ist dankbar für ihren Job, auch wenn er sie an ihre Grenzen bringt. „Wenn ich alles erzählen würde, was ich bei SOLWODI höre und erfahre – man würde mir wohl nicht glauben. Man würde sagen, dass so etwas in Deutschland nicht passieren kann.“

DIE ORGANISATION SOLWODI

SOLWODI ist eine überkonfessionelle Menschenrechtsorganisation. Die Bezeichnung steht für „Solidarity with Women in Distress“ („Solidarität mit Frauen in Not“). Die Beratungen und
Hilfen richten sich an Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel, Prostitution, Zwangsheirat, Ausbeutung oder häuslicher Gewalt geworden sind. Gegründet wurde SOLWODI 1985 von Ordensschwester und Frauenrechtlerin Lea Ackermann. Inzwischen gibt es bundesweit 19 Fachberatungsstellen und acht Schutzwohnungen.

Die Organisation bietet neben ganzheitlicher psychosozialer Betreuung und Beratung, sicherer Unterbringung, Vermittlung juristischer, medizinischer und therapeutischer Hilfe auch Unterstützung bei der Suche nach Arbeitsplätzen und Wohnungen an.

Hilfesuchende können sich gern bei der Beratungsstelle in Duisburg melden. Entweder per Telefon unter der Nummer 0203 663150 oder per E-Mail. Adresse: duisburg@solwodi.de

Spendenkonto:
Solwodi NRW e. V.
IBAN: DE54 3505 0000 0204 0089 99
Sparkasse Duisburg
BIC: DUISDE33XXX
Infos: www.solwodi.de


DIE INTENTION: KEIN MENSCH IST KÄUFLICH

Ordensschwester, Frauenrechtlerin und SOLWODI-Gründerin Lea Ackermann über
Prostitution in Deutschland

BENE: Liebe Frau Ackermann, wie kann es sein, dass offenbar immer mehr Frauen in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden?

Lea Ackermann: Das hängt meiner Meinung nach mit der liberalen Gesetzgebung in Deutschland zusammen. Seit 2002 gibt es das Prostitutionsgesetz, das die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten verbessern soll. Das Hauptproblem dieses Gesetzes ist, dass es Prostitution nicht als Verbrechen wertet, sondern als Beruf salonfähig machen will. Wir lehnen es strikt ab, da es die Frau zu einer Ware macht. Am Ende profitieren davon die Bordellbetreiber, die Menschenhändler, die Schleuser und vielleicht sogar der Staat.

Erklären Sie uns das bitte genauer.

Ackermann: Seit der Legalisierung gilt Prostitution nicht mehr als sittenwidrig. Davon profitieren die Bordellbetreiber. Sie weiten ihr Gewerbe auf den Wellnessbereich aus. Damit wird Deutschland im Prinzip zum Bordell Europas. Ein Rechenbeispiel: Ein Bordellbetreiber „beschäftigt“ 100 Frauen, die ihm pro Tag 130 Euro für das Zimmer zahlen. Das sind 13.000 Euro am Tag, mehr als 400.000 Euro im Monat und mehr als 4.800.000 Euro im Jahr. Dazu kommen 20 Euro Steuergeld pro Frau, die der Bordellbetreiber an die Stadtverwaltung abführt. Das sind
2000 Euro am Tag und etwa 60.000 Euro im Monat. Das Geschäft mit der Ware Frau ist ungeheuer lukrativ. Deshalb blüht es auch so.

Was fordern Sie?

Ackermann: Ich bin jetzt schon seit 35 Jahren in dieser Branche tätig, und ich kann Ihnen sagen, dass sich keine Frau freiwillig prostituiert. Wo die weibliche Sexualität käuflich ist, kann keine Gleichberechtigung stattfinden. Deshalb fordern wir ein Sexkauf-Verbot. Die Intention: Kein Mensch ist käuflich! In Schweden gibt es so ein Gesetz bereits seit zwölf Jahren.

Text und Interview Kathrin Brüggemann

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