Aufarbeitung

Sexualisierte Gewalt konsequent stoppen

Foto: Nicole Cronauge

Dezember 2023

KONSEQUENT UND KRITISCH

Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen gestartet

Die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Essen (UAK Essen) hat Ende Oktober ihren Gründungsprozess abgeschlossen und die konkrete Arbeit aufgenommen. Acht Mitglieder – entsandt von der NRW-Landesregierung, dem Betroffenenbeirat im Bistum Essen und dem Bistum selbst – sollen einen unabhängigen Beitrag zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen leisten. Ihre Arbeit knüpft auch an die im Februar vorgestellte Aufarbeitungsstudie des Instituts für Praxisforschung und Projektbegleitung (IPP) an.

Die ehrenamtlich tätigen Kommissionsmitglieder sollen Tatsachen, Ursachen und Folgen von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Ruhrbistum erfassen und Strukturen identifizieren, die sexuellen Missbrauch ermöglicht, erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben. Auch soll untersucht werden, wie das Bistum Essen in der Vergangenheit mit Tätern und Betroffenen umgegangen ist.

Wesentlich für die Arbeit der UAK Essen wird der Dialog mit den Betroffenen sein, also den Menschen, die als Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt durch Priester und andere Personen im Kirchendienst erfahren mussten. Die Kommissionsmitglieder haben das Recht, in konkreten Fällen Akteneinsicht zu nehmen oder Personen zu bestimmten Sachverhalten schriftlich oder mündlich zu befragen. Nicht zu den Aufgaben zählt die Entscheidung über finanzielle Entschädigungen für Missbrauchsbetroffene.

In regelmäßigen Abständen soll der Öffentlichkeit über Erkenntnisse und Anregungen berichtet werden. Zur Unterstützung der Kommissionsarbeit richtet das Bistum gerade eine Geschäftsstelle in der Essener Innenstadt ein (Ribbeckstr. 12). Diese soll ab Januar auch die jederzeitige Erreichbarkeit der frisch gegründeten Kommission sicherstellen.

Der UAK Essen gehören acht Mitglieder an: Vom Land NRW wurden benannt die ehemalige Oberstaatsanwältin Gerda Berens und der frühere Regierungspräsident von Münster, Prof. Dr. Reinhard Klenke. Der Betroffenenbeirat im Bistum Essen entsendet drei Mitglieder in die Kommission. Das Bistum selbst bat den ehemaligen Leiter der Rechtsabteilung im Düsseldorfer Schulministerium, Dr. Ludger Schrapper (siehe Interview rechts), die ehemalige Essener Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr sowie Prof. Dr. Ulrike Willutzki, Leiterin des Zentrums für Psychische Gesundheit und Psychotherapie (ZPP) an der Universität Witten/Herdecke, um Mitwirkung in der Kommission.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck ist den Kommissionsmitgliedern dankbar für ihre Bereitschaft, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen „konsequent und kritisch zu begleiten sowie mitzuhelfen, Veränderungen und Maßnahmen auf den Weg zu bringen, damit sexualisierte Gewalt aus dem kirchlichen Alltag verbannt wird“.

Die Errichtung der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen in den deutschen Bistümern geht auf eine 2020 getroffene Vereinbarung zwischen dem damaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zurück. Ihre Aufgaben wurden in der „Gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche“ festgelegt. Dies wird auch die Richtschnur für das neue Gremium im Bistum Essen sein. I red

Mehr Informationen im Netz unter www.uak-essen.de

 

„SEXUALISIERTE GEWALT IST EINFACH NICHT HINZUNEHMEN“

Zu ihrem Vorsitzenden haben die Mitglieder der UAK Essen Ludger Schrapper gewählt. Der 66-Jährige war für die NRW-Landesverwaltung über 30 Jahre an verschiedenen Orten in unterschiedlichen Funktionen tätig. Eine besondere Beziehung zum Ruhrgebiet hat Schrapper durch eine mehrjährige Tätigkeit als Präsident der Hochschule für Polizei und Verwaltung in Gelsenkirchen. Der Vater zweier erwachsener Kinder lebt mit seiner Frau in der Nähe von Düsseldorf. BENE-Redaktionsleiterin Sandra Gerke hat mit ihm gesprochen.

BENE: Herr Dr. Schrapper, warum engagieren Sie sich in der UAK?

Ludger Schrapper: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und junge Menschen ist einfach nicht hinzunehmen in unserer Gesellschaft. Sie verursacht tiefe Verletzungen und kann Lebensläufe langfristig beeinträchtigen und schädigen. Dagegen vorzugehen, zu schauen, wie man sie in Zukunft verhindern kann, und Betroffenen zu helfen, Anerkennung zu erfahren für ihr Leid – das ist eine wichtige Aufgabe. Als ich gefragt wurde, ob ich dazu einen Beitrag leisten kann, war ich der Meinung: Da kann man sich nicht verweigern.

Ihre Kommission arbeitet ausdrücklich unabhängig vom Bistum. Wie sieht der Kontakt zu den Kirchenvertretern aus?

Ich bewerte die ersten Anzeichen der Zusammenarbeit mit dem Bistum, insbesondere dem Generalvikar, als sehr positiv. Sie ist konstruktiv, offen und ehrlich. Und nach meinem Eindruck auch getragen vom Bemühen der Bistumsseite, mit der Aufarbeitung voranzukommen, für die Betroffenen etwas zu tun und gegen sexualisierte Gewalt aufzustehen. Das Bistum hat uns zugesichert, dass wir freien Zugang zu allen Quellen haben. Damit keine Missverständnisse entstehen: Unsere Aufgaben sind ein unabhängiger Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte sexualisierter Gewalt im Verantwortungsbereich der Kirche und die Unterstützung der Betroffenen. Dazu brauchen wir den Zugang zu Akten und Auskunftspersonen. Es geht dabei weniger da­rum, neue, bisher unbekannte Fälle aufzudecken. Das bleibt vorrangig Sache des Bistums, gegebenenfalls auch der Polizei und Staatsanwaltschaft. Die UAK schaut aber nicht nur zurück. Der Blick nach vorn ist für uns wichtig, um Hinweise für eine bessere Prävention zu geben.

Wie notwendig eine unabhängige Aufarbeitung ist, hat sich auch gezeigt, als während der Vorbereitungen zu Ihrer Kommissionsgründung Vorwürfe gegen den 1991 verstorbenen Essener Kardinal Hengsbach bekannt wurden.

Ja, da wurde endgültig deutlich: Wir haben es mit einem Thema zu tun, das nicht nur in irgendwelchen verborgenen Nischen stattgefunden hat. Auch eine der Leitfiguren des Bistums war involviert. Spätestens jetzt muss allen, die offen für Fakten und bereit sind, sich diesen zu stellen, klar sein: Wir müssen das Thema angehen. Das kann man nicht wegleugnen.

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