Glaubenssatz

Wie kommt die Kirche aus ihrem Tief heraus?

Ein nachdenklich wirkender Mann, der auf einer Treppe sitzt und etwas sagt. Er trägt ein hellblaues Hemd und eine Jeanshose.

Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, Foto: Nicole Cronauge

Klaus Pfeffer: „Im Moment sieht es so aus, als sei die Talfahrt der Kirche kaum aufzuhalten. Ich erlebe bei zahllosen Menschen Frust und Wut. So hat zum Beispiel das Hin und Her in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche für viel Ärger gesorgt. Ich selbst bin fassungslos über das, was der Missbrauchsskandal aufgedeckt hat.

Dann kam aus Rom plötzlich ein Schreiben, mit dem bekräftigt wurde, dass gleichgeschlechtliche Paare keinen offiziellen Segen empfangen dürfen. Klipp und klar wurde da eine Sexualmoral festgeklopft, die von den meisten Menschen nicht verstanden wird – und die vor allem Menschen mit homosexueller Orientierung verletzt und diskriminiert.

Aus Gesprächen, Briefen und Mails weiß ich: Es sind nicht nur die großen Skandale, die frustrieren. Oft fühlen sich Gläubige auch von der Kirche vor Ort vor den Kopf gestoßen, wenn bei Taufen, Trauungen, Begräbnisfeiern oder anderen Gelegenheiten etwas geschieht, das die eigenen Empfindungen missachtet oder verletzt. Ich kann die Enttäuschung und Wut oftmals gut verstehen.

Die dramatische Krise meiner Kirche macht mich unendlich traurig. Zugleich spüre ich meine eigenen Grenzen, weil es nicht gelingt, in der deutschen Kirche einen entschlossenen und einheitlichen Weg der Aufarbeitung zu gehen. Nach meiner Überzeugung braucht es in vielen Fragen eine grundsätzliche Erneuerung der Katholischen Kirche. Aber wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft gehen auch in der Kirche die Auffassungen weit auseinander – darum kommen Entwicklungen und Veränderungen nur mühsam voran. Und natu?rlich sind wir auch in der Kirche nur Menschen: Wir machen Fehler, uns gelingt nicht alles, wir enttäuschen – auch ich selbst.

Trotzdem bleibe ich zuversichtlich. Das hängt auch mit den vielen guten Erfahrungen zusammen, die ich mit der Kirche verbinde. Vor über 30 Jahren hatte ich mich entschieden, Priester zu werden. Ich war damals hoch motiviert, weil ich in meiner Heimatgemeinde und in der Georgspfadfinderschaft großartige Gemeinschaftserfahrungen gemacht hatte und die ganze Faszination des christlichen Glaubens entdecken durfte. Das lässt mich nicht los. Der Glaube an Gott ist eine unendliche Kraftquelle – und die Kirche ist nach wie vor ein Ort, der viele tolle und engagierte Menschen zusammenführt und verbindet. Das Gute und Bereichernde, das ich hier erfahre, überwiegt für mich noch immer.

Deshalb will ich mich für eine Kirche einsetzen, in der die Weitherzigkeit und Freundlichkeit Gottes, von der ich fest überzeugt bin, gelebt wird. Im Bistum Essen tun wir viel dafür. Wir wollen lernen aus dem Versagen der Vergangenheit – und auch aus den Fehlern und Schwächen, die es heute noch gibt. Wir arbeiten den Missbrauchsskandal auf und wollen an einer Kirche bauen, in der sich Menschen nicht fürchten müssen, sondern in der sie sein dürfen, wie sie sind – mit all ihren Einzigartigkeiten.

Die Katholische Kirche, wie wir sie kennen, stürzt gerade von ihrem hohen Sockel, auf dem sie über viele Jahrhunderte auf die Welt herabgeblickt hat. Das wirbelt Staub auf. Jetzt zeigt sich: So ,heilig‘ ist die Kirche gar nicht, wie sie es selbst lange von sich behauptet hat. Und mancher Prunk, manche dicke Mauer erweist sich als hohl und zerbrechlich.

Vielleicht ist das nun eine große Chance: Wer vom Sockel stürzt, kann nicht mehr von oben herab auf die Welt blicken. Und wer seinen äußeren Schein verliert, muss Ehrlichkeit und Demut üben. Kirche kann so zu einem Ort werden, an dem sich künftig Menschen auf Augenhöhe begegnen – und sich nicht gegenseitig bewerten und beurteilen, ab- oder ausgrenzen. Kirche soll ein Ort sein, wo Menschen gemeinsam als Suchende unterwegs sind – als Suchende nach Gott und als Suchende nach einem gelingenden, glücklichen Leben.“

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