Glaubenssatz

So kämpft sie für Gleichberechtigung

Theologin Jacqueline Straub

Theologin Jacqueline Straub (Foto: Meli Straub, Giulia Bianchi, Jacqueline Straub;)

BENE: Frau Straub, Sie bekommen viel Aufmerksamkeit für Ihr Engagement, aber auch viel Gegenwind.
Jacqueline Straub: Zum Glück bin ich damit nicht allein. Ich kenne ganz viele Frauen und Mädchen, die auch Priesterinnen werden wollen. Und auch viele Männer sind der Ansicht, dass die Frauen in der Katholischen Kirche den Männern auf sämtlichen Hierarchiestufen gleichzustellen sind. Es gibt also viele Menschen, die hinter mir stehen und mir sagen, dass ich nicht aufgeben soll. Ich setze mich für die ein, die keine Stimme haben. Und ich kämpfe vor allem dafür, meine Berufung eines Tages leben zu können.    


Wann haben Sie gespürt, dass etwas in der Katholischen Kirche „nicht in Ordnung“ ist?
Straub: Als ich mit 15 zum ersten Mal gespürt habe, dass ich Priesterin werden möchte, wurde mir bewusst, dass das bei uns nicht geht. Dass etwas wirklich nicht in Ordnung ist, habe ich an der Universität festgestellt. Ich habe dort Leute in meinem Alter kennengelernt, die tatsächlich gegen das Frauenpriestertum sind und teilweise abstruse Ansichten vertreten

Welche Ansichten sind das?
Straub: Diese Personen waren zum Beispiel der Ansicht, dass eine Frau nicht Priesterin werden könne, weil sie unrein und mental nicht so stark sei wie ein Mann. Die Priesterweihe würde an ihr abperlen, da der Heilige Geist „nicht in sie hineingehen“ würde. Vor ein paar Monaten bekam ich eine Nachricht von einer jungen Theologiestudentin, die zu mir sagte, dass es absolut richtig sei, dass Frauen keine Priesterinnen werden dürfen, da sie „anfällig für Depressionen“ seien. Sie wären überfordert mit dem Priesterberuf. Meiner Meinung nach völliger Unsinn. In der Evangelischen Kirche klappt das ja schließlich auch.

Was glauben Sie, woran es liegen könnte, dass derartige Ansichten auch heute noch in den Köpfen vieler Menschen verankert sind?
Straub: Weil ihnen immer wieder gesagt wird, dass nur Männer Priester werden können. Wenn ich in Pfarreien gehe und Vorträge halte, kommen danach Frauen auf mich zu und sagen, sie seien dankbar, dass ich darüber referiert habe. Sie hätten sich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass Frauen das vielleicht auch können und wollen. Wenn man immer wieder gesagt bekommt, dass man für das Amt nicht geeignet sei, sondern dass man sich lieber um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern soll, glaubt man das irgendwann auch. Ich möchte das gar nicht abwerten, ich finde es toll, wenn Frauen Mütter sind und sich dieser Aufgabe verschreiben. Ich will damit einfach nur sagen, dass sich viele keine eigenen Gedanken machen. Sie denken sich, wenn der Priester sagt, dass das nicht geht, wird das schon stimmen. Sie sind gehorsam und ordnen ihr Leben den Vorgaben der Kirche unter, obwohl sie vielleicht lieber anders leben würden.

Was würden Sie als Priesterin anders machen?
Straub: Ich würde als Priesterin versuchen, keine schnellen Antworten zu geben, sondern zu schauen, wie die Situation des Menschen ist, der gerade zu mir kommt, und mich fragen, wie Jesus reagiert hätte. Es gibt viele Pfarrer und SeelsorgerInnen, die das schon genauso und ganz toll machen. Mir geht es nicht darum, Macht zu haben – mir geht es um den Dienst am Menschen, um die Möglichkeit, einen Gottesdienst mit den Sakramenten zu feiern. Ich liebe die Sakramente sehr, zum Beispiel die Heilige Kommunion. Das Stück Brot zu brechen, und den Menschen zu geben, ihnen zu vermitteln, dass es sie stärken kann, wenn sie sich in einer schwierigen Situation befinden: Das möchte ich machen.

Wenn Sie derzeit Priesterin werden würden, müssten Sie, wie Ihre männlichen Kollegen auch, im Zölibat leben.
Straub: Die Frage nach dem Zölibat stellt sich mir nicht, weil es meiner Ansicht nach aufgelöst werden würde, bevor Frauen Priesterinnen werden können. Der Zölibat könnte heute noch aufgelöst werden, wenn die Kirche es nur wollte. Ich wünsche mir das nicht nur für mich, sondern auch für die vielen Priester, die darunter leiden. Es gibt einige, die heimlich eine Beziehung zu einer Frau oder einem Mann führen. Nicht nur sie, auch die jeweiligen Partnerinnen und Partner leiden unter dem Zölibat. Außerdem würden Priester viele Jugendliche und Erwachsene bei ihren Beziehungsproblemen besser unterstützen können, wenn sie selbst Beziehungserfahrung hätten. Die Kirche würde mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie an dieser Stelle eine Lockerung durchführen würde, gerade in der westlichen Welt.

Warum ist die Angst, offen zu sagen, dass man Priesterin werden möchte, bei vielen Frauen immer noch so groß?
Straub: Weil einigen Frauen noch heute gesagt wird, dass es schlicht und einfach nicht geht, römisch-katholische Priesterin zu werden. Hinzu kommen abstruse Argumente und die Zuschreibung der Frau in eine „andere Rolle“. Ich habe in Polen erlebt, dass junge Frauen nicht einmal über Priesterinnen nachdenken wollten, weil sie Angst hatten, eine Sünde zu begehen. Ich vergleiche das immer gern mit der Mitgliedschaft in einem Fußballverein. Wenn man als Spieler einfach ein blaues anstatt das vorgeschriebene rote Trikot anzieht, gucken einen alle an und fragen, warum man sich nicht an die Regeln hält. Die Regel ist, dass das Trikot rot ist. Punkt. So ist es in der Kirche auch. Viele halten sich nicht an
die Regeln, belächeln sie vielleicht sogar. Trotzdem haben viele untergründig ein schlechtes Gewissen, weil sie sich eigentlich lieber an die Regeln halten würden. Aber wenn es falsche Regeln sind, fällt ihnen das verständlicherweise schwer.  

Warum sind die Anfeindungen oft so extrem?
Straub: Die reformfeindlichen und ultrakonservativen Menschen in der Kirche verhalten sich zuweilen sehr aggressiv und uneinsichtig. Ich verstehe jede Frau, die keine Lust hat, sich solch bösen Kommentaren auszusetzen. Ein Mann, der sagt, dass er Priester werden will, muss sich nicht rechtfertigen, als Frau muss man das ständig tun. Ich bekomme E-Mails von Theologinnen, die mir sagen, dass sie ihren Job in der Pfarrei verlieren würden, wenn sie öffentlich sagen, dass sie Priesterin werden möchten. Sie sagen zu mir, dass sie mich unterstützen, aber selbst trauen sie sich nicht, öffentlich über ihren Wunsch zu sprechen. Das ist so traurig, dass es noch immer solch eine Kultur des Schweigens gibt. Das ist ein Machtmechanismus, der in der Kirche immer noch gut funktioniert: Man wird für seine eigene Meinung bestraft, obwohl diese im Fall des Frauenpriestertums die richtige ist. Es ist ein krasses Unrecht, ja eine Unordnung, dass Frauen nicht Priesterinnen werden dürfen. Bei ganz vielen hängt aber immer noch im Kopf: Wenn ich das sage, muss ich mir Kritik anhören. Böse Kritik, keine konstruktive Kritik. Deshalb halten sich viele zurück. 

Wie könnte man das ändern?
Straub: Zum einen sollte man sich national oder international ein Netzwerk suchen und sich mit Frauen und Männern zusammentun, die diese Idee unterstützen. Mir schreiben immer wieder junge Frauen: „Hey, ich würde gern Priesterin werden, aber ich habe keine Hoffnung, dass das jemals klappt.“ Ich sage ihnen dann: „Du bist nicht allein, es gibt viele andere Frauen, die diese Berufung ebenfalls in sich tragen.“ Ich spreche ihnen Mut zu,
kritisch unterwegs zu sein. Wir müssen aber auch sagen: „Liebe Bischöfe, Ihr macht nicht alles richtig, wenn ihr das Thema totschweigt, liebe Bischöfe, es ist eure Verantwortung, euch für die Forderungen der Menschen in eurem Bistum einzusetzen.“  

Warum wäre es vorteilhaft für die Kirche, wenn auch Frauen Priesterinnen werden dürfen?
Straub: Ich glaube nicht, dass Frauen es besser machen, es kommt immer auf die einzelne Person an. Frauen wären in dem Job genauso gut wie Männer, weil die Frau auch ein geliebter und von Gott geschaffener Mensch ist. Es gäbe eine sichtbare Gleichheit, die Gläubige und der Gläubige könnten sich entscheiden, ob sie beim Seelsorge- oder Beichtgespräch zur Pfarrerin oder zum Pfarrer gehen. Dann würde man sich auch als Frau verstanden fühlen, vor allem, wenn es darum geht, intime Probleme zu besprechen. Die Kirche besteht nun mal aus Männern und Frauen, nicht nur aus Männern.

Was fordern Sie?
Straub: Es braucht kritische Stimmen. Die Katholische Kirche ist gerade in Deutschland so am Boden, sie ist so kaputt. Und das wird in den nächsten Jahren bestimmt noch schlimmer werden. Das, was jetzt über das Ausmaß der Missbrauchsfälle ans Licht gekommen ist, ist nur der Anfang. Deshalb ist es wichtig, dass Leute, die noch in der Kirche sind, kritisch sind: Das gibt ein Zeichen nach außen. Viele denken, man darf nicht kritisch sein, wenn man in der Kirche ist. Viele Katholiken wären bestimmt offener, aber man impft ihnen ein, dass das falsch ist. Man kann allerdings durchaus katholisch sein und mitten im Leben stehen. Zum Glück kenne ich in Deutschland ganz viele engagierte Katholikinnen und Katholiken, die kritisch unterwegs sind und für eine erneuerte, glaubwürdige Kirche kämpfen.

Warum ist die Katholische Kirche Ihren Einsatz wert?
Straub: Ich vergleiche sie gern mit einer Familie. In der Familie ist auch nicht immer alles super. Wichtig ist, dass man sich gegenseitig zuhört. Ich finde, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben sollte, vom Evangelium zu hören, um zu erfahren, was Gott Tolles gemacht hat. Dass er Mensch wurde, um uns Menschen zu verstehen. Wir sollten die Möglichkeit haben, das den Menschen zu sagen. So wie einige Kirchen- und Bistumsleitungen im Moment fahren, haben die Leute allerdings wenig Lust, zuzuhören.

Das Interview führte Kathrin Brüggemann

Jacqueline Straub beschreibt in ihrem Buch „Kickt die Kirche  aus dem Koma – warum Reformen unerlässlich sind“ auch, wie Kirche junge Menschen besser erreichen kann. „Es ist wichtig, dass Jugendliche mehr Möglichkeiten haben, um mitzugestalten“, sagt sie.
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