Glaubenssatz

Kirche, wie geht´s weiter? Vier persönliche Ansichten

Stephanie Schulze

Stephanie Schulze Foto: Christian Toussaint/BDKJ DV Essen

Berthold Hiegemann (56), Essen

Berthold Hiegemann ist Führungskräfteentwickler bei der RAG und Pfarrgemeinderatsvorsitzender in St. Hippolytus, Gelsenkirchen-Horst/Essen-Karnap.

„Als Katholik sehe ich mich schon lange nur noch in der Rechtfertigungsecke, und darauf habe ich keinen Bock mehr! Wenn man sich als gläubiger Christ outet, bekommt man sofort den Missbrauchsskandal vorgehalten. Das endlich aufzuarbeiten, ist gut und richtig – nur viel zu träge und inkonsequent! So glaubt uns doch keiner, dass wir reinen Tisch machen und Dinge verändern wollen.

Dabei ist die Botschaft, die wir haben, doch der Hammer: Wir werden auferstehen! Immer wieder bekommen wir Chancen zum Neuanfang – wir können nie tiefer fallen als in Gottes Hand! Diese Frohbotschaft bekommen wir einfach nicht vermittelt. Bei der Katholischen Kirche denkt man leider immer zuerst an ,Herr, erbarme dich‘ und nicht an ,Halleluja‘. Wir brauchen eine Reformation! Und Menschen, die es schaffen, die Lehre Jesu Christi anderen glaubwürdig zu vermitteln. Es gibt genug Frauen und Männer, die über diese Charismen verfügen – man ignoriert sie aber, weil Priester nicht verheiratet oder gar Frauen sein dürfen. So ein antiquierter Blödsinn!

Im Bistum Essen ist sehr viel passiert in den letzten Jahren: Unsere Bistumsleitung hört zu und lässt sich auf Diskussionen ein. Gut so! Menschen brauchen Hirten, denen sie folgen können. So wie bisher geht es nicht weiter. Man muss zuweilen einfach aufstehen und ,Nein!‘ sagen. Vergnügungssteuerpflichtig ist es nicht, Funktionsträger in dieser Kirche
zu sein. Weil ich trotzdem an Veränderungen glaube, mache ich weiter. Basta!“

Stephanie Schulze  (27), Bochum

Stephanie Schulze ist Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Essen.

„Der Weg, auf dem wir uns als Kirche gerade befinden, ist schwierig, und ich bin mir noch nicht sicher, wohin er führt. Meine große Hoffnung ist, dass wir tatsächlich im 21. Jahrhundert ankommen. Das heißt, dass wir sagen können: Wenn man einen Menschen liebt, der das gleiche Geschlecht hat, dann akzeptiert unsere Kirche das und gibt diesen Partnerschaften zumindest ihren Segen. Und wenn Frauen das Gefühl haben, berufen zu sein zu einem Weiheamt, dann wäre meine Hoffnung, dass man ihnen nicht weiterhin das Gefühl gibt, nicht gleichermaßen wie Männer von unserem Gott erwünscht zu sein. Auch wenn Männer, die in einer Partnerschaft oder Ehe leben und Väter sind, die Möglichkeit hätten, Priester zu sein, hätten sie in ihrem Amt einen anderen Blick auf die Dinge, die Menschen bewegen.

Wir haben im Augenblick einige gute Bischöfe und Priester, denen ich zutraue, solche Veränderungen auf den Weg bringen zu können. Wenn uns jetzt der Umbruch nicht gelingt, könnte es in Zukunft schwierig werden. Mein Eindruck ist, dass viele der wenigen Männer, die jetzt gerade Priester werden, eher konservativ sind.

Wir müssen jetzt deutliche Zeichen setzen. In der Generation, der ich angehöre, geschieht das auf mindestens zwei Arten. Die Leute, die es sich einfach machen wollen, treten aus. Aber die, deren Herzen noch an der Kirche hängen, schließen sich zusammen, engagieren sich, sagen laut und klar ihre Meinung. Es spricht ja für sich, dass zumindest im Bistum Essen die Mitgliederzahl im BDKJ auch in den letzten Jahren gestiegen ist.“ 

Dorothé Möllenberg (46), Gladbeck

Dorothé Möllenberg ist stellvertretende Leiterin des Kinder- und Jugendhauses Gelsenkirchen St. Elisabeth und Vorsitzende des Diözesanrates der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen.

„Man sagt ja immer scherzhaft: Spontaneität in Kirche dauert 50 Jahre. Aber so viel Zeit haben wir nicht mehr! Es gilt, jetzt die Zeichen zu erkennen und entsprechend zu handeln. Die Aufbruchstimmung ist größer denn je, das habe ich auch kürzlich wieder bei der Vollversammlung des ZdK (Zentralkomitee der deutschen Katholiken, oberstes katholisches Laiengremium, Anmerk. d. Red.) gemerkt, dem ich angehöre. Da kam deutlich zum Ausdruck, dass die Mehrheit keinen Gesprächsprozess mehr will, an dessen Ende es heißt: ,Gut, dass wir drüber gesprochen haben.‘

Der Missbrauchsskandal steht gerade im Vordergrund. Im Bistum Essen mache ich mir um die Aufarbeitung weniger Sorgen, da sind wir auf einem guten Weg, die notwendigen Dinge anzugehen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Kirche auch deutschlandweit stärker gewissen Themen stellt. Sexueller Missbrauch hat immer auch mit Machtstrukturen zu tun, und wenn man die kritisch beleuchtet, kommt man zu der Frage: Warum dürfen zu manchen Kirchenämtern nur Männer zugelassen werden? Ich finde es positiv, dass mittlerweile viele Frauen laut ihren Unmut darüber äußern, zum Beispiel durch Kirchenstreiks. Wenn man die
vielen Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche aber nur an der Zulassung der Frauen zu Weiheämtern festmacht, finde ich das sehr verkürzt. Das ist nicht der einzige Hintergrund.

Was wir auch neu betrachten müssen, sind Fragen rund um Haupt- und Ehrenämter in der Kirche. Den Mangel an Hauptamtlichen können nicht einfach Ehrenamtliche ausgleichen. Da müssen wir neue Konzepte erarbeiten. Es wird auch in Zukunft nicht ohne Hauptamtliche in der Kirche gehen.“

Thomas Gäng (54), Oberhausen

Thomas Gäng ist Mitglied im Vorstand der Stadtsparkasse Oberhausen sowie im Kirchenvorstand der Propsteipfarrei St. Clemens in Sterkrade. Zudem ist er im Kirchensteuerrat des Bistums Essen.

„In unserer Pfarrei ist das Gemeinschaftsgefühl noch spürbar, aber auch wir sind ein Spiegelbild der Kirche: Manchmal ist schon eine gewisse Zerrissenheit zu erkennen. Wir haben die traditionell-konservativen Gläubigen, und wir haben die, die jetzt dringend Veränderungen wollen. Von Vertreterinnen der zweiten Gruppe gab es auch bei uns in Oberhausen im Mai Protestaktionen: Ich habe mir das angesehen und mit den Frauen der Initiative ,Maria 2.0‘ geredet. Bei vielen habe ich große Wut und Enttäuschung darüber
gespürt, dass Frauen in der katholischen Kirche keine Weiheämter übernehmen dürfen und insgesamt nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Wut ist gut, um in Bewegung zu kommen! Wir müssen nur aufpassen, dass wir vor lauter Wut nicht die Dialogfähigkeit verlieren. Ich finde es gut, Dinge deutlich anzusprechen, die einem wichtig sind. Ich fände es aber sinnvoll, wenn man die Möglichkeiten, die es schon gibt, auch nutzt. Warum sind in unserem Kirchenvorstand und im Kirchensteuerrat jeweils nur zwei Frauen? Das sind alles wichtige Funktionen, die ja heute schon besetzt werden können!

Bei unseren Kirchenoberen sehe ich es ähnlich. Wie zerstritten mittlerweile die Deutsche Bischofskonferenz ist! Auch da fordere ich, dass die Herren dialogfähig bleiben und all das ausloten, was theologisch machbar ist.

Die Kirche der Zukunft müsste eine Kirche sein, die offen ist für die Bedürfnisse unterschiedlichster Menschen, ohne dabei ihre Wurzeln zu kappen und beliebig zu werden. Unser gemeinsamer Kern, die Klammer, die uns zusammenhält, ist das Bekenntnis zu Jesus Christus als wahrem Menschen und wahrem Gott.“

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