Glaubenssatz

Fit für die Zukunft? Kirche am Puls der Zeit

Ein Herz mit einem Stethoskop
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Vor gut zwei Jahren brachten die erschütternden Ergebnisse der sogenannten „MHG-Studie“ einiges ins Rollen: Das Bistum Essen nahm die Untersuchung mit dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ zum Anlass, das „System Kirche“ einer gründlicheren Prüfung zu unterziehen. Schließlich hatte die Studie gezeigt, dass Strukturen und Kulturen in der Katholischen Kirche mitverantwortlich sind für sexualisierte Gewalt und ihre Vertuschung. Dies war einer von vielen guten Gründen, vier Projekte zu starten, in denen sich Menschen aus dem Bistum derzeit mit konkreten Veränderungsvorschlägen beschäftigen, und zwar in den Themenbereichen „Geschlechtergerechtigkeit“, „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“, „Verständnis des Weiheamtes“ und „Sexuelle Identitäten und Sexualmoral“. Es sind dieselben Themen, die aktuell auch in den Foren des deutschlandweiten „Synodalen Wegs“, des Dialogprozesses der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, auf dem Tisch liegen. Dort werden die Beteiligten im September das nächste Mal zusammentreffen. Im Bistum Essen sollen im kommenden Winter alle Ergebnisse aus den Projektgruppen zusammengetragen und der Bistumsleitung überreicht werden. In BENE geben jetzt schon zwei Frauen und zwei Männer, die daran mitarbeiten, Einblicke.

Irmgard Handt (54), Leiterin Abteilung Soziales und Bildung bei der Caritas Oberhausen

„Gleiche Rechte für Frauen und Männer!“

„Es muss sich dringend etwas bessern beim Umgang der Kirche mit den Rechten von Frauen und Männern. Wir diskutieren hier über Dinge, die in fast allen anderen gesellschaft- lichen Ebenen keine Diskussion mehr sind: ob man aufgrund seines Geschlechtes bestimmte Aufgaben übernehmen darf oder nicht. Warum können Frauen in unserer Kirche nicht zur Priesterin oder Diakonin geweiht werden? Ich begreife nicht, dass man sagt: Weil eine Frau eine Frau ist, kann sie bestimmte Dinge nicht. Und weil ein Mann ein Mann ist, kann er bestimmte Dinge. Es ist doch nicht die Männlichkeit, die einen befähigt! Männer definieren in der Kirche die Rolle der Frau. Das haben wir Frauen nicht nötig! Wir erwarten ein Miteinander auf Augenhöhe. Mein Wunsch wäre, in allen Bereichen der Kirche zu einem gerechten Geschlechterverhältnis zu kommen. In Gemeinschaften ist Vielfalt, die das Einbringen verschiedener Perspektiven ermöglicht, wichtig. Frauen und Männer müssen den Mut haben, die bisherige Ordnung zu stören und Kirche zu verändern. Alles andere ist ungesund.“

Gregor Lauenburger (50), Schulseelsorger, Essen

„Macht muss geteilt werden!“

„Ich wünsche meiner Kirche ,Gute Besserung‘ in ihrem Umgang mit Macht! In unserer Gesellschaft ist die Monarchie abgeschafft. Aber in unserer Kirche gibt es noch eine Art monarchistische Struktur. In den Gemeinden laufen alle Entscheidungen auf den Priester hinaus, auf Bistumsebene auf den Bischof. Manche empfinden es als Vorteil, wenn jemand an der Spitze steht, der Leitlinien vorgibt, an denen man sich orientieren kann. Es läuft immer dann gut, wenn Vorgesetzte offen für Kritik und gesprächsbereit sind. Aber unser System ermöglicht eben auch den anderen Fall. Wenn Menschen nicht auf Augenhöhe miteinander zu tun haben, kann es Probleme geben. Schauen wir uns die vielen Fälle sexualisierten Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Kreisen der Kirche an: Allen ist ein Missbrauch von Macht vorangegangen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich alle wohlfühlen in der Kirche! Dafür bedarf es einer strukturellen Veränderung. Deshalb erarbeiten wir gerade Möglichkeiten, wie sich in Zukunft Macht besser teilen lässt.“

Stefan Ottersbach (44), Priester aus Essen, Bundespräses BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend)

„Keine herausgehobene Klasse!“

„Woran unsere Kirche krankt? Als Problem empfinde ich zum Beispiel das Verständnis des Weiheamtes. Das hat im Blick auf den Missbrauchsskandal große Relevanz. Wie konnte es passieren, dass so viele Fälle geschehen und vertuscht werden konnten? Es ist einerseits eine Frage von Strukturen und Gesetzen in unserer Kirche: Wo werden Diakone, Priester oder Bischöfe privilegiert oder einer Kontrolle entzogen? Das zu überprüfen und Strukturen entsprechend zu verändern, kann Missbrauch verhindern. Auf der anderen Seite kann aber auch die persönliche Haltung ein Problem sein – sowohl die von Amtsträgern als auch von Gläubigen. Zum Beispiel wenn in einer Gemeinde die Handlungen eines Geistlichen überhaupt nicht infrage gestellt werden. Menschen, die ein Weiheamt innehaben, dürfen keine herausgehobene Klasse bilden! Dagegen gibt es kein einfaches Rezept. Es ist ein Prozess, der Geduld fordert und den festen Willen, wirklich in Veränderung zu investieren. Ich glaube, wir werden etwas bewegen!“

Claudia Fockenberg (63), Supervisorin, Essen

„Kirche ist widersprüchlich beim Thema Sexualität!“

„Die Kirche tut sich nichts Gutes damit, wie sie mit lesbischen Frauen, schwulen Männern, Transmenschen – und auch mit Geschiedenen umgeht. Sie zeigt sich seit einiger Zeit zwar offener und setzt sich mit den Anliegen der Menschen auseinander – wie auch das Projekt zeigt, von dem wir hier reden. Aber die Kirche braucht noch mehr Offenheit. Und diese müsste sichtbarer sein. Damit die, die sich abgewandt haben, es mitbekommen und vielleicht doch wieder zur Kirche finden. Zudem wünsche ich mir mehr Konsequenz: Ich kenne zum Beispiel immer noch Menschen, die bei einem kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt sind, aber Angst haben, dass dieser mitbekommt, wie sie privat leben. Bei manchen Jobs kann man vielleicht noch offen dazu stehen, lesbisch oder schwul zu sein – aber wenn es um Stellen mit Führungsverantwortung geht, wird es schwierig. Da zeigt sich die Kirche widersprüchlich. Will sie ihrem Grundsatz treu bleiben, für die Menschen da zu sein? Dann darf die Sexualität eines Menschen kein Ausschlusskriterium mehr sein!“

 

Machen Sie mit!

Haben Sie Anregungen zu den vier Themenbereichen „Geschlechtergerechtigkeit“, „Macht, Partizipation, Gewaltenteilung“, „Selbstverständnis des Weiheamtes“ und „Sexuelle Identitäten und Sexualmoral“? Dann schreiben Sie uns! Per Post geht es an diese Anschrift: Bischöfliches Generalvikariat, Stichwort „Kirche verändern“, Zwölfling 16, 45127 Essen. E-Mails senden Sie an die Adresse: kirche.veraendern@bistum-essen.de. Ihre Nachrichten werden zeitnah an die Projektgruppen weitergegeben. Weitere Informationen zu den Konsequenzen der Missbrauchsstudie finden Sie im Internet unter mhg.bistum-essen.de. Tipp: Ab dem 31. August startet dort eine Reihe mit Kurzfilmen über die vier Themenfelder. Sie beschreiben, wo sie die Kirche – im Moment noch – für nicht ausreichend fit halten. I red

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