Glaubenssatz

Weihnachten als Fest der Freiheit

Foto: AdobeStock/alextan8
Dezember 2022

 

DAS FEST DER FREIHEIT

Haben Sie Weihnachten schon mal so gesehen?

Theresa Kohlmeyer gibt es zu: Sie ist genervt von den Feiertagsplanungen ihrer Großfamilie. Bei langen Spaziergängen mit ihrem Hund hat sich die 36-jährige Theologin Gedanken darüber gemacht – und die möchte sie gerne mit allen, die BENE lesen, teilen.

Was sind Ihre ersten Gedanken zu den Weihnachtsfeiertagen? Essen, Geschenke, Gottesdienste, Traditionen, Stress? Jedes Jahr beginnt schon im frühen Herbst in meiner Familie die Diskussion, wer wann mit wem feiert. Und auf welche Traditionen aus welchen Schwieger- Familien – wir sind vier Kinder mit „Anhang“ – Rücksicht genommen werden muss. Ja, manchmal fühlt es sich für mich nach einem Müssen an. Mir geht das gehörig gegen den Strich, denn das ist nicht mein Verständnis von Weihnachten, und das ist schon gar nicht der Grund, warum ich Weihnachten feiere. Ich feiere Weihnachten wegen der Liebe – und wegen der Freiheit.

Und das ist der Grund für mich: Das Lukas-Evangelium in der Bibel beginnt bereits vor der Geburt Jesu, unter anderem mit folgender Episode: Maria bekommt Besuch vom Engel Gabriel, der ihr erzählt, dass sie schwanger wird und einen Sohn bekommt. Maria ist irritiert, da Josef und sie erst verlobt sind, aber noch nicht verheiratet. Rein biologisch scheint das also nicht möglich – in der damaligen Denkweise. Doch der Engel erklärt ihr, dass das Kind von Gott ist.

Auch heute ist es noch schwierig, alleinerziehend zu sein. Da können wir uns vorstellen, wie problematisch die Situation für Maria damals gewesen sein muss! Trotzdem lässt sie sich darauf ein – aus Liebe zu Gott.

Der Josef, der im Matthäus-Evangelium dargestellt wird, ist für mich ebenso eine Figur, die für die Liebe steht. Als er erfährt, dass Maria schwanger ist, und für ihn klar ist, dass er mit der Zeugung nichts zu tun hat – zumindest wird es so erzählt –, entschließt er sich zunächst, Maria „in aller Stille“ zu verlassen (Mt 1,19) – aus Liebe zu sich selbst. Wenn er nicht der Vater des Kindes ist, muss es ja wohl eine andere Verbindung geben, von der er nicht Teil ist. Aus Selbstschutz hier den Rücktritt anzutreten, finde ich sehr nachvollziehbar. Josef möchte Maria dabei aber nicht bloßstellen, indem er ihr eine große Szene macht.

Und nur vor diesem Hintergrund der Liebe zu sich selbst kann Josef Maria so sehr lieben, dass er sich schließlich umentscheidet. Nachdem ein Engel ihm die Situation erklärt hat, akzeptiert Josef, dass es keinen anderen Mann für Maria gibt, sondern dass Gott immer einen Platz in ihrer Ehe haben wird. Aus Liebe zu und Achtung vor Maria bleibt Josef am Ende doch bei ihr.

Und dann kommt in beiden Evangelien die Geburtsgeschichte. Gott wird Mensch, er sendet seinen Sohn in die Welt. Die große Frage ist: Warum? Und wieso kommt er genau zu diesem Zeitpunkt in diese Kultur?

Jesus ist in einer Zeit geboren, in der die jüdischen Familien sich sehr klar und eng an gewisse Traditionen gehalten haben. Das betraf den Ablauf von Feiertagen, aber auch welches Essen mit welchem Essen gemeinsam auf dem Tisch stehen durfte. Diese Traditionen waren also durchaus eingrenzend. Die jüdischen Familien haben sich daran orientiert und sind davon ausgegangen, dass sie nur dann ein gutes Leben führen, wenn sie sich an diese Regeln halten.

Meine leise Ahnung ist, dass Gott Mensch wird, um die Menschen damals und alle seitdem – also auch Sie und mich – zu befreien! Jesus wollte und sollte nicht kontrollieren, ob die Regeln der jüdischen Tradition eingehalten wurden, oder diese vielleicht sogar verschärfen. Jesus macht ein gutes, gelungenes und erfülltes Leben nicht daran fest, welche Regeln und Traditionen eingehalten werden. Von diesen Zwängen und Grenzen befreit er uns. So hat ihn auch einer seiner Nachfolger, Paulus, verstanden, der das in einem Brief an die Galater – das ist ein Volk, das in der Nähe des heutigen Ankara lebte – schreibt (Gal 5,1).

Statt uns also weitere Regeln aufzuerlegen, schenkt er uns ein neues Gebot, einen Verhaltenskodex, wenn Sie so wollen, an dem er gelungenes Leben festmacht: Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und entscheide dich in Freiheit immer wieder neu zu diesen Liebesbeziehungen: zu Gott, zu deinen Mitmenschen und zu dir. Merken Sie etwas? Das Muster der Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe haben wir in der Weihnachtsgeschichte bei Maria und Josef schon erlebt. An diesem Kodex richte ich mein Leben gerne aus. Vielleicht würde es uns auch als Kirche und Glaubensgemeinschaft guttun, uns wieder mehr von Liebe und Freiheit leiten zu lassen statt von Traditionen und Regeln.

Meine innere Freiheit, die mir nun bewusst geworden ist, lässt mich jedenfalls jede Diskussion unter uns Geschwistern aushalten, wo denn nun der Heilige Abend verbracht wird. Denn ich spüre keinen Zwang und keine Grenzen. Ich freue mich darauf, dass ich meine Mutter, meine Geschwister, Nichten und Neffen in aller Freiheit sehe und ich sie beschenken kann. Gottes Weihnachtsgeschenk an mich und Sie: Ich bin zur Freiheit befreit! Das ist ein grandioses Gefühl und erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit gegenüber meinem Gott. Sie sind zur Freiheit befreit – genießen Sie es und feiern sie Weihnachten so richtig schön!

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