Was zu Beginn eines neuen Jahres oder zu Beginn der Fastenzeit gerne als Neustart oder guter Vorsatz tituliert wird, ist in der Welt von Ehe-, Familien- und Lebensberatern ganzjährig ein wiederkehrendes Thema. Wenn Menschen fachliche oder psychologische Beratung suchen, geht es unterschwellig oder sogar offensichtlich immer um Veränderung, Chancen, Richtungswechsel. Rita Cammann-Karpa (Foto) ist seit 21 Jahren als Beraterin beim Caritasverband für die Stadt Essen tätig. Die Diplom-Pädagogin und Familientherapeutin hat uns erklärt, wie Neuorientierung entsteht und gelingen kann. Und wie wir es uns vielleicht auch selbst ein bisschen leichter machen können. Ein kleiner Leitfaden für „Neustarter“.
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BITTE POSITIV FORMULIEREN!
Nicht: „Ich muss entspannter werden!“ Sondern: „Ich bin entspannt.“ Schön in der Gegen-wartsform formulieren: „Ich mache Sport“, nicht „Ich werde jetzt mehr Sport treiben!“
UND WAS TUN GEGEN DEN INNEREN SCHWEINEHUND ... ?
Vorsätze muss man gut vorbereiten. Sie müssen konkret sein, überschaubar und realistisch. Und wir brauchen Hilfskonstrukte: Den Sporttermin als festen Termin in den Kalender eintragen! Oder gleich etwas mit Freunden gemeinsam realisieren! Da kann einer den anderen antreiben.
DAS EWIGE MANTRA!?
Schon wieder ist der Versuch gescheitert, abzunehmen. Was hilft es, wenn man sich ständig wiederholt und unter Druck setzt ...? Es geht nur in kleinen Schritten und mit Etappenzielen. Und doch funktioniert das mit dem Mantra manchmal auch: Ein von seiner Frau verlassener Mann setzte sich an seinen Computer und speicherte ein neues Passwort: „Ich verzeihe ihr“. Es hat ihm geholfen, die Rachegefühle besser zu verarbeiten und einen Neuanfang zu wagen. Aber natürlich funktionieren solche Worte nur, wenn sie ernst gemeint sind.
BEIM NÄCHSTEN (MAL) MANN WIRD ALLES ANDERS.
Einspruch! Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest. Viele Menschen treffen in Beziehungen immer wieder auf die gleichen Typen, sehen zu wenig auf ihre eigenen Muster und Strukturen. Und wenn es Stress gibt, sehen sie die Anteile immer beim ande-ren. Aber: Es ist vielleicht nicht der Mann, der nicht stimmt, oder die Frau, die nicht stimmt oder der Chef, der nervt. Was sind denn die eigenen Anteile?
NOCHMAL GEMEINSAM NEU ANFANGEN?
Das sind oft lange Prozesse, in denen Therapeuten wichtige Begleiter sein können: Wie gestalten wir den Neuanfang? Wie viel Zeit haben wir? Wie reden wir? Es sollte nicht heißen: Alles wieder wie früher! Denn früher war ja nicht alles gut, sonst säße man nicht beim Therapeuten. Stattdessen: Alte Verletzungen und Fallen anerkennen und integrieren. Das ist Arbeit!
WENN NEUANFANG AUS DER NOT ENTSTEHT ...
hilft ein zuhörender Berater oder Therapeut, neu zu sortieren. Er ermuntert, kleine Experimente zu wagen und die Blickrichtung zu ändern, damit Neues gesehen und gewagt werden kann.
ES GIBT ZAUBERWÖRTER
„Trotz alledem“ und „und“. Sie helfen herauszukommen aus dem „Entweder ... oder“. Das Wörtchen „und“ offenbart Möglichkeiten. Jedes Aber hingegen ist ein Nein. Also: Ich darf traurig sein UND: Ich darf weiter-leben! „Wir hatten eine große Krise UND: „Wir gehen weiter zusammen!“
DIE PRO & CONTRA-LISTE
Es hilft immer, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was waren/sind meine Wünsche und Ziele? Was war gut, was war nicht so gut? Und: Ehrlich mit sich sein! Sich nicht bewerten!
IN SICH HINEINHORCHEN
Anerkennen, wie man ist und dadurch seine Energie besser einteilen. Das ist es, was wir heute unter Achtsamkeit verstehen.
ANDERE MIT EINBEZIEHEN
Das hängt davon ab, wie intim die Themen sind und wie das Vertrauen ist. Manche Freundin kennt uns zu gut oder will uns nicht weh tun. Mancher wählt deshalb eher den Weg in die Beratung, um eine Außensicht und andere Fragen gestellt zu bekommen.
KANN GLAUBE DEN NEUSTART ERLEICHTERN?
Auf jeden Fall! Er gibt Geborgenheit, Gelassenheit und Entlastung, dass es jemand gut mit uns meint und wir nicht alles alleine machen müssen. Und wenn man an seine Grenzen kommt, kann er wirklich Kraft geben.
SELBST DER LÄNGSTE WEG BEGINNT MIT DEM ERSTEN SCHRITT
Die örtlichen Caritasverbände im Ruhrbistum bieten Ehe-, Familien- und Lebensberatung an.
Die Beratungsstelle in Essen ist per Mail unter efl@caritas-e.de oder telefonisch unter 0201-233888 erreichbar.