Teaser 2

Handwerk zwischen Himmel und Erde

(v.l.n.r.): Uwe Bothur mit Tochter Tanja Bothur, Enkeltochter Lucy Schmidt und Schwiegersohn Daniel Schmidt, Foto: Achim Pohl

März 2025

 

DIESE FAMILIE BRINGT GLÜCK

Seit Generationen fegt sie in Bochum und Umgebung Schornsteine

Arbeitsalltag bei Lucy Schmidt: Sie steht auf einem Flachdach und hängt eine Kehrleine in den Schornstein. Am Ende des 20 Meter langen Seils sind Borsten aus Edelstahl befestigt. Zieht sie die Konstruktion wieder hoch, kratzen die Borsten Rußrückstände von den Wänden des Kamins. „Das ist wichtig, damit Abgase ordnungsgemäß entweichen können“, erklärt die Schornsteinfegerin und wischt sich den schwarzen Staub von der Wange.

Die 21-Jährige hat ihre Ausbildung vor einem Jahr abgeschlossen. Seitdem ist sie bei ihrem Vater Daniel Schmidt angestellt. Er ist selbstständiger Schornsteinfegermeister. In regelmäßigen Abständen sucht sie die Häuser auf, die zu dem Kehrbezirk ihres Vaters gehören. Dort reinigt sie Schornsteine und Abgasleitungen, prüft den Schadstoffausstoß von Heizungen, kontrolliert Feuerungsanlagen, macht Vorschläge zur Verbesserung des Brandschutzes und zum sparsamen Umgang mit Energie.

Die Leidenschaft für das Handwerk entbrannte bei ihr schon als Kind. Nicht nur ihr Vater ist Schornsteinfeger. Auch Mutter Tanja Bothur, Tante Julia Bothur und Opa Uwe Bothur arbeiten in dem Beruf. Seit Generationen fegt die Familie Schornsteine, sorgt in den Kehrbezirken in Bochum, Herne und Hattingen für sichere Brandstätten und saubere Luft.

Alle wohnen unter einem Dach. Da kann es nach Feierabend schon mal zu hitzigen Diskussionen kommen – über politische Vorgaben zum Beispiel. Stichwort Wärmepumpen. „Unsere Kundschaft heizt hauptsächlich mit Gas, Öl oder Scheitholz“, erklärt Daniel Schmidt. „Als es Anfang 2024 hieß, dass man sich auf klimafreundliche Wärmepumpen umstellen soll, war die Panik bei vielen groß. Sie hatten Angst vor den Kosten, die auf sie zukommen könnten.“ Etliche Anrufe gingen damals täglich bei der Familie ein. Energieberatung wird in ihrem Job immer wichtiger. „Wir müssen uns überlegen, wie die Leute Energie einsparen können, ohne dafür ein Vermögen auszugeben.“

Schornsteinfegen gehört zu den klimarelevanten Berufen, in denen Fachkräfte dringend benötigt werden. Allerdings herrscht in diesem wie in vielen anderen hand- werklichen Bereichen akuter Nachwuchsmangel. Das liegt auch daran, dass immer mehr junge Menschen ein Studium anstreben, anstatt sich in einem handwerklichen Beruf ausbilden zu lassen. Als Lucy Schmidt auf dem Gymnasium von ihrem Ausbildungswunsch erzählte, reagierten ihr Lehrer und viele aus ihrer Klasse skeptisch. „Es war halt Standard, dass man nach dem Abitur an die Uni geht, um zu studieren. Wer was anderes machen wollte, wurde belächelt“, sagt sie.

Die junge Frau bezeichnet ihren Job als vielfältig und spannend. Er vereint handwerkliche Tätigkeiten, Büroarbeit, Kontakt zur Kundschaft – und die Zusammenarbeit mit Kriminalpolizei und Feuerwehr. So ist ihr Großvater als Sachverständiger bei ungeklärten Todesfällen im Einsatz, die mit dem Austritt giftiger Gase zusammenhängen könnten. Und ihre Eltern stehen der Feuerwehr bei Schornsteinbränden mit ihrem Fachwissen zur Seite. Zurzeit besucht Lucy Schmidt die Meisterschule. Sie will später ihren eigenen Kehrbezirk haben. In ihrer Klasse, erzählt sie, seien „immerhin acht Frauen“. Das passt zu den Zahlen, die der ZDH auf seiner Internetseite angibt: Jede dritte Erwerbsperson im Handwerk ist weiblich.

Lucy Schmidt setzt sich in dem männerdominierten Job durch. Dabei orientiert sie sich an den Frauen in ihrer Familie: Ihre Tante ist die erste Frau, die in den Vorstand des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks gewählt wurde, wo sie sich für Öffentlichkeitsarbeit einsetzt.

Und ihre Mutter, die auch Brandschutztechnikerin ist, war 2016 erst die dritte Frau in ihrer Region, die einen eigenen Kehrbezirk übernahm. „Frauen können jeden Beruf erlernen und ausüben“, stellt Lucy Schmidt klar. „Viele befürchten vielleicht die körperliche Belastung im Handwerk, aber die ist beim Schornsteinfegen gar nicht so groß. Da geht es eher um technisches Verständnis.“

Während ihr Großvater noch mit Karteikärtchen gearbeitet hat, steht sie mit Tablet und Handy auf dem Dach, um Informationen abzuspeichern. Bei ihrer Arbeit rund um den Brandschutz nutzt sie hochmoderne Technik: Mit einer Wärmebildkamera macht sie Bilder von Hauswänden, um zu erkennen, wo sich Hitze staut. Mit einer Endoskopkamera überprüft sie Rußbildung in den Kaminschächten, und mit einem Messgerät checkt sie die Feuchtigkeit von Brennholz.

Neben dem technischen Aspekt mag sie an ihrem Job, dass sie bei ihrer Kundschaft für viel Freude sorgt: „Egal wo ich hinkomme – überall empfängt man mich mit einem Lächeln“, beschreibt sie fröhlich die positiven Reaktionen, die sie erhält und die auch mit der Annahme zu tun haben, dass sie als Schornsteinfegerin Glück bringt. Diese Vorstellung stamme noch aus dem Mittelalter, erzählt sie. Ihre Zunft verringerte bereits damals die Gefahr von Hausbränden. Sie brachte also Sicherheit und damit Glück ins Haus.

Die junge Frau muss sich bei bis zu 20 Arbeitsterminen pro Tag auf immer neue Situationen einstellen. „Manchmal lädt mich die allein lebende Seniorin auf einen Kaffee ein. Ich erfahre von Todesfällen in der Familie, von neugeborenen Kindern, von allem, was die Leute gerade beschäftigt“, berichtet sie. Ihr Großvater habe ihr zu Beginn ihrer Ausbildung gesagt, dass sie als Schornsteinfegerin so ehrlich und mitfühlend wie möglich sein müsse, da sie eine Vertrauensperson sei.

Werte vermitteln, Traditionen bewahren und neue Entwicklungen anheizen – die Bochumer Familie ist mit Feuereifer bei der Sache. „Unser Handwerk ist im Wandel“, sagt Lucy Schmidt, während sie die schwere Kehrleine schultert und vom Dach klettert.

Text Kathrin Brüggemann

Wertebasiertes Handwerk – dafür machen sich auch die Kirchen stark. Seit fast sechs Jahrzehnten trifft sich der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit Vertreterinnen und Vertretern der katholischen und evangelischen Kirchen, um sich mit ihnen über wirtschafts- und gesellschaftspolitische Themen wie den Schutz der Umwelt, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt oder die Nachwuchsförderung auszutauschen. Aktuelle Neuigkeiten aus dem „Zentralen Besprechungskreis Kirche-Handwerk“ lassen sich hier nachlesen: bene.mg/handwerkundkirche

Cookie Einstellungen

Performance Cookies erfassen die Informationen über die Nutzungsweise einer Website durch den Besucher.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google

Datenschutz

Datenschutzerklärung | Impressum