Besuch bei...

Die „Geschwisterschule“ in Duisburg stellt sich vor

Zwei Kinder spielen mit einer Puppe

Amelie (rechts) und Joy, Foto: Achim Pohl

Noch sind alle ein bisschen schüchtern: Nur zögerlich betreten Amelie (6), Ben (5), Joy (4) und Alfred (3) nach und nach das zur „Geschwisterschule“ umgebaute Krankenzimmer im Duisburger Krankenhaus St. Anna. Für anderthalb Stunden verabschieden sie sich jetzt von ihren Eltern. Und das schaffen alle wohl auch deshalb tränenfrei, weil sie eine Frau herzlich willkommen heißt, bei der man sofort spürt, dass sie den Umgang mit Kindern einfach draufhat:  Stefanie Both (37) ist selbst Mutter eines kleinen Sohnes. Seit 15 Jahren arbeitet sie als Kinderkrankenschwester im St. Anna. „Von solchen Vorbereitungskursen für Kinder habe ich mal gelesen und dann festgestellt, dass sie in unserer Gegend nirgendwo angeboten werden. Also habe ich die Geschwisterschule in unserem Krankenhaus vorgeschlagen“, erzählt Stefanie Both. Das war vor zehn Jahren. Seitdem führt sie fast jeden Monat einen solchen Kurs durch. „Der Zulauf ist immer groß, auch von Familien, die eigentlich in anderen Kliniken entbinden wollen“, freut sie sich.

Die vier Kinder, die heute ihre „Ausbildung“ antreten, suchen sich alle schon einmal eine spezielle Puppe aus, mit der sie gleich üben können – sie ist praktischerweise genauso schwer wie ein echtes Baby. Nebenbei verwickelt Stefanie Both Amelie, Ben, Joy und Alfred in ein Gespräch. Was sich dabei herausstellt? Die beiden Mädchen bekommen kleine Brüder, die beiden Jungs kleine Schwestern! Total logisch, finden die Kinder – oder nicht? Gemeinsam schauen sie sich mit ihrer Kursleiterin das Buch „Ein Kind entsteht“ von Lennart Nilsson mit den berühmten Fotos aus einem Mutterleib an. Der Anblick des Embryos fasziniert Ben. „Sieht komisch aus!“, sagt er ehrfürchtig. „Aber süß!“, ergänzt Amelie. „Da kann man schon die Augen sehen“, bemerkt Joy. Alfred, der Jüngste der Runde, hat vor Aufregung schon ganz rote Wangen.

Mit den Puppen üben die Kinder das Füttern, Wickeln und Baden von Neugeborenen. Und während die Puppen schließlich ein kleines „Schläfchen“ machen, unternehmen die Kinder einen Ausflug, der wohl auch den meisten Erwachsenen Respekt einflößen dürfte: Sie besichtigen einen Kreißsaal! Aufmerksam sehen sie sich die Einrichtung an: Wehenschreiber, Wärmelampe, Geburtswanne … Was ihnen jetzt durch den Kopf geht, kann sich Stefanie Both gut vorstellen. Kindgerecht und ganz ruhig erklärt sie alles. Und macht ihrer kleinen Klasse klar: „Ja, das wird anstrengend für eure Mamas. Aber Mamas sind stark, die schaffen das!“

Dass es keinen Grund zur Sorge gibt, sondern etwas Tolles passiert, ist genau die Botschaft, die es den Kindern zu vermitteln gilt, findet der Kinderarzt Dr. Guido Wolf. „So eine Geburt ist gar nicht so einfach, das verstehen auch die kleineren Kinder schon“, erklärt er. „Wenn ein Kind übermäßig Angst um seine Mutter hat in der Zeit der Schwangerschaft und Geburt und wenn es sich danach auch noch an den Rand gedrängt fühlt, weil sich alles nur noch um das Baby zu drehen scheint, können tatsächlich Entwicklungsprobleme entstehen.“ Wolf ist leitender Oberarzt am Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ). Die Einrichtung, die dem St.-Anna-Krankenhaus angeschlossen ist, berät Familien bei kindlichen Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten. Der Arzt hält die Geschwisterschule
für „eine sinnvolle Sache“. „Die Idee dahinter, die großen Geschwister kindgerecht miteinzubeziehen in die neue Situation, ist entscheidend!“ (Weitere Tipps von Dr. Wolf: siehe unten.)

Amelie, Ben, Joy und Alfred jedenfalls scheinen den kommenden Zeiten schon freudig entgegenzusehen. Nach ihrer Rückkehr von der Kreißsaalbesichtigung steuern alle im Kursraum zielstrebig auf ihre Übungspuppen zu und kümmern sich noch etwas um sie, bis die Eltern zum Abholen eintrudeln. „Darf man die Puppe am Ende mit nach Hause nehmen?“, fragt Amelie hoffnungsvoll. Stefanie Both muss leider verneinen. Und so kullern zum guten Schluss doch noch ein paar Kindertränen. Zum Glück ist Amelies Mama direkt tröstend zur Stelle. Ihr kugelrunder Bauch verheißt: Nicht mehr lange und es kommt Verstärkung in die Familie, die ganz sicher zauberhafter ist als jede Puppe … 

Wie kann ich mein Kind aufs Geschwisterchen vorbereiten?

Tipps von Kinderarzt Dr. Guido Wolf

„Fangen Sie schon vor der Geburt des Geschwisterchens damit an, Ihrem Kind klarzumachen, dass das Ganze etwas Positives ist. Es ist wichtig, dass schon kleine Kinder begreifen: ,Uns steht als Familie Schönes bevor! Wir bekommen ein neues Kind, und das ist ein Geschenk Gottes!‘ Suchen Sie sich etwas Konkretes, mit dem der große Bruder, die große Schwester helfen kann – vorher und wenn das Neugeborene dann auf der Welt ist. Das kann zum Beispiel das Aussortieren von Spielsachen sein, für die man selbst schon zu groß ist. Wenn ein Kind erkennt, dass keine Gefahr droht und dass es auch selbst in der neuen Situation gefragt ist, kann es das Baby freudig auf der Welt begrüßen!“

Text: Sandra Gerke Fotos: Achim Pohl

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