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Mehr Haltung, bitte! Portrait über den Maler Oliver Jordan

Maler Oliver Jordan
Foto: Achim Pohl

In letzter Zeit stand Böll vor Beitz. Räumlich betrachtet. Der Literaturnobelpreisträger wäre in diesem Jahr 100 geworden und der in Essen geborene, in Köln lebende Maler Oliver Jordan hat ihm die Ausstellung „Augenblicke – Hommage an Heinrich Böll“ gewidmet, die im Juni in der Domstadt zu sehen war. Da muss dann der von Jordan ebenfalls portraitierte Ruhrbaron Berthold Beitz, der ja im Gegensatz zu Böll den 100. Geburtstag beinahe noch erlebt hätte, im Atelier des Künstlers mal in den Hintergrundrücken. Köln schlägt Essen, in diesem Fall. Bleiben wir doch ein bisschen bei diesem Thema, denn auch hier geht es um nicht mehr und nicht weniger als Heimat!

Oliver Jordan zog nach seinem Studium an der Akademie in Düsseldorf (unter Anatol Herzberg und Joseph Beuys) 1986 nach Köln. Es hat sich so ergeben, würde man wohl heute sagen – der tatendurstige und widerspenstige Künstler aus dem Ruhrpott gelangte mittenrein in die gefühlige Stadt am Rhein, die ihn mit offenen Armen empfing. „Ich lebe hier nun schon mehr als die Hälfte meines Lebens“, sinniert der 59-Jährige beim Gespräch in seinem Atelier, das im Dachgeschoss eines Altbaus in der Kölner City liegt und einen Blick auf die enge Bebauung der Innenstadt, aber natürlich auch den Dom bietet. Aber Heimat? Die ist bei intensiverer Betrachtung dann doch 60 Kilometer weiter nordöstlich.

Ein Funke genügt, um bei Oliver Jordan das Feuer fürs Ruhrgebiet und Essen zu entfachen. „Wie habe ich diese Stadt geliebt! Ich bin dort geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe die ersten Küsse ausgetauscht“, sagt Jordan. Soll heißen: Sowas bleibt, das vergisst man nicht. Prägend für seine künstlerische Laufbahn war das Folkwang-Museum. „Das war schon als Kind mein Wohnzimmer.“ Dort ging Jordan ein und aus. Weil das Geld als Student und junger Künstler nicht reichte, fuhr er nachts Taxi in Essen. „Da lernen Sie eine Stadt und die Menschen richtig kennen!“ Schon in den 70er Jahren befand sich die Region im Strukturwandel – und Jordan erlebte ihn hautnah mit. „Meine Malerei ist Haltung, sie ist gegen das Aufpolierte“, erklärt er.

Er hat große Serien über das Ruhrgebiet gemalt. Auf den Leinwänden in seinem Atelier lässt sich seine Technik bewundern: Aus Bleistiftzeichnungen werden Ölskizzen, werden Reliefs. Zentimeterdick sind die unterschiedlichen Schichten, die sich bei Nahsicht in abstrakte Farbströme auflösen. Von weiter weg betrachtet formiert sich der Farbstrudel zu großformatigen Landschafts- und Stadtansichten: realistisch, expressiv, sinnlich, rhythmisch und im Wortsinne vielschichtig und aufgekratzt. Und irgendwie ist das auch die Botschaft an den Pott: Nicht aufpolieren – vielschichtig auftragen, aufkratzen, hervortreten! Auch der Titel „Rost.Grün.Ferne“ drückt vieles aus, was Jordan mit seiner Heimat verbindet. Das gleichnamige Ausstellungsprojekt brachte den Maler 2007 mit dem Musiker Rafael Cortés in der Zeche Carl zusammen. Jordans Beitrag: Essener Stadtansichten von der Skyline bis zur Emscher. „Essener Jungs“ nannte Willi Overbeck die beiden. Der Pfarrer war 1977 Gründer der Initiative „Zeche Carl e.V.“ , aus der das spätere Kulturzentrum hervorgegangen ist und fand mit Jordan und Cortés engagierte Mitstreiter. Die nicht problemlose Geschichte der Nutzung der Zeche Carl ist für den Maler bis heute ein Synonym für die Entwicklung seiner Heimatregion. „Was sich im Zusammenhang der Kulturhauptstadt 2010 abgespielt hat, ist schmerzhaft“, sagt er im Rückblick. „Zu viel Poliertes, zu viel ,Glattmacherei‘.“ Auch wenn Zeche Zollverein und andere Industriedenkmäler großartig seien: „Man „Man kapriziert sich zu sehr auf die Leuchtturm-Projekte.“ Jordanplädiert bei der Kulturentwicklung vor allem dafür, auch die Menschen einzubeziehen, die nicht ins Raster passen. „Es ist eine Region, die eigenen Nachwuchs generieren kann und muss. Der ist das Kapital, der darf nicht abwandern.“ Da spricht einer, dem es anders erging, der aber nicht zu romantischer Verklärung neigt. „Ich bin auch ein Malocher“, sagt er. Und deshalb würde er auch mitarbeiten, wenn es einen guten Plan für die Zukunft gäbe. „Man muss der Jugend das Gefühl geben, dass hier etwas passiert“, meint er. Ehemalige Arbeiter-Städte wie Glasgow beispielsweise hätten moderne Konzepte entwickelt. Jordan hat zumindest die Hoffnung, dass sich die Menschen mit dem besonderen Menschenschlag im Pott durchsetzen. „Geradeaus“ sein, wie seinerzeit eben besagter Berthold Beitz, der, findet Jordan, „einer mit Haltung war, der sich für die Förderung der Kultur und des öffentlichen Lebens eingesetzt hat“. Der Krupp-Manager, der ja nicht aus dem Ruhrgebiet, sondern aus der Nähe von Greifswald kam, ist einer der wichtigsten Charakterköpfe, die Jordan portraitiert hat. Und zwar von Angesicht zu Angesicht. „Ich bin der einzige Künstler, der ein Atelier in der Villa Hügel, im Kaisersaal, hatte“, sagt Jordan nicht ohne Stolz über seine Begegnung mit Beitz, die immer noch heimatlich nachhallt. „Auf die Frage, warum er sich für mich als Portraitisten entschieden habe, antwortete er, dass er es gewohnt sei, nur mit den Besten zu arbeiten.“

Apropos, Beste: Beitz und Böll stehen inzwischen wieder gleichberechtigt im Atelier in Köln. Zwischen unzähligen Berühmtheiten aus der Musik- und Literaturgeschichte: Bob Marley und Jim Morrison, David Bowie und Charles Bukowski, Leonhard Cohen und Albert Camus ... monumental, rebellisch, wild, schön und leider tot. Und irgendwie will man ihnen zurufen: Kommt wieder raus, bezieht Position, verströmt Protest und Poesie! Es wird Zeit für große Projekte und Visionen im Pott – und anderswo sowieso.

 

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