Besserwisser

Die Wunderheilungen neu verstehen

Foto: (SFerdon, Jacob_09 / Shutterstock.com)

Jesus geht übers Wasser. Er macht Kranke gesund und Blinde sehend: Die Wunderheilungen, die in der Bibel beschrieben werden, klingen wie Szenen aus einem Superhelden-Film. Zumindest dann, wenn man sie wörtlich nimmt. Nicolaus Klimek, Referent für Glaubenskommunikation im Bistum Essen, rät dazu, den tieferen Sinn der Erzählungen zu entschlüsseln. „Für mich sind Wunderheilungen Zeichen, die etwas von Gottes Willen für die Menschen sichtbar machen“, sagt der Glaubensexperte. Für BENE hat er sich einige Bibelstellen mal genauer angesehen und zusammengefasst, was uns die Evangelisten wohl mit ihren Schilderungen sagen wollten.

VERGANGENES ABHAKEN UND NACH VORN BLICKEN

Bibelstelle

In Kafarnaum, einem Dorf im Norden Israels, predigte Jesus in einem Raum, der völlig überfüllt war. Vier junge Männer wollten dennoch zu ihm. Sie hofften auf Heilung für ihren gelähmten Freund, den sie auf einer Liege trugen. Es war jedoch so voll in dem Haus, dass sie nicht durch die Tür gehen konnten. Deshalb schlugen sie ein Loch in das Dach des Gebäudes und ließen den Gelähmten auf einer Liege zu Jesus hinunter. Dieser sagte zu dem kranken Mann: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Die Menschen waren entsetzt. Sünden dürfe nur Gott vergeben, fanden sie. Um ihnen zu zeigen, dass auch er einem anderen Sün-den vergeben kann, ermöglichte Jesus es dem Gelähmten, aufzustehen und nach Hause zu gehen. (Markus 2,1-12)

Botschaft

Nicolaus Klimek: „Diese Bibelstelle deutet an, dass Fehler und Sünden uns geradezu lähmen können. Wenn man sich selbst und anderen vergibt, kann das heilsam sein. Gott möchte nicht, dass Erlebnisse aus der Vergangenheit unsere Beziehungen zu anderen Menschen negativ beeinflussen. Das fängt ja schon im Kleinen an. Wie oft steckt man einen Menschen in eine Schublade und lässt ihn da nicht wieder heraus? Erst wenn man die Schublade öffnet und diesen Menschen mit wohlwollenden Augen betrachtet, kann das Miteinander besser werden. Sobald man das beherzigt und immer mal wieder auf den anderen zugeht, dürfen wir uns auf wunderbare Veränderungen freuen.“

NICHT NUR AUF SICH SELBST, SONDERN AUCH AUF ANDERE ACHTEN

Bibelstelle

Als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Volksmenge aus Jericho auszog, saß der blinde Bartimäus am Wegrand. Dieser rief: „Jesus, hab Erbarmen mit mir!“ Jesu Begleiter sagten zu dem Blinden, er solle gefälligst schweigen, um die würdevolle Prozession nicht zu stören. Doch Bartimäus rief weiter nach Jesus. Dieser blieb stehen, ließ den Blinden zu sich kommen und fragte ihn: „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ – „Ich möchte sehen können“, antwortete er. Jesus erwiderte: „Geh hin, dein Glaube hat dich gerettet.“ Von da an konnte Bartimäus sehen. (Markus 10,46-52)

Botschaft

Klimek: „Indem Jesus den Mann zu sich ruft und ihn ausdrücklich fragt, was er für ihn tun kann, wendet er sich ihm konzentriert zu. Er gibt so den Jüngern und auch uns zu verstehen, wie er sich Kirche vorstellt. Wir sollen uns nicht selbst feiern, sondern lieber danach fragen, was andere von uns brauchen und wie wir ihnen helfen können – und danach dann auch handeln.“

AUF EINE LIEBEVOLLE UND HEILSAME ART MITEINANDER UMGEHEN

Bibelstelle

Lukas berichtet in seinem Evangelium davon, wie Jesus einen stummen Mann von seinen Dämonen befreit hat. Nachdem die Dämonen verschwunden waren, konnte der Mann wieder sprechen. Einige Leute staunten. Doch es gab auch Zweifler, die nicht daran glaubten, dass Gott an der Austreibung der Dämonen beteiligt gewesen sei. „Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen“, konterte Jesus. (Lukas 11, 14-23)

Botschaft

Klimek: „Das ist für mich ein Zeichen, dass die Liebe Gottes da ist. Indem Gott etwas Heilsames für die Menschen tut, ist etwas von seinem Reich spürbar. Es scheint also nicht so zu sein, dass das irdische Leben und der Himmel voneinander getrennt sind. So nach dem Motto: Hier die Menschen und dort Gott im Himmel. Laut der Bibel ist es eher so, dass das Reich Gottes auf Erden anbricht, sobald wir auf eine heilsame und liebevolle Art miteinander umgehen.“

VERTRAUEN IN ANDERE MENSCHEN HABEN

Bibelstelle

In einem dichten Gedränge schob sich eine Frau, die seit zwölf Jahren an schweren Blutungen litt, an Jesus heran. Sie stand hinter ihm, sodass er sie nicht sehen konnte. Die Frau glaubte fest daran, dass sie gesund wird, sobald sie ihn berührt. Vorsichtig fasste sie seinen Mantel an. Jesus drehte sich zu ihr um und sah ihr fest in die Augen. Die Frau befürchtete, dass er zornig würde, weil sie ihn einfach so berührt hatte. „Hab keine Angst, meine Tochter“, sagte Jesus freundlich zu ihr. „Dein Glaube an Gott hat dich geheilt. Geh in Frieden.“ (Lukas 8, 42b-48)

Botschaft

Klimek: „Die Frau vertraut darauf, dass sie gesund wird, wenn sie Jesus berührt. Lukas möchte uns damit vermutlich sagen, dass wir auf Gott und damit auch auf unsere Mitmenschen vertrauen und an sie glauben sollen. Man sagt ja auch: Der Glaube versetzt Berge! Wenn wir Gott nichts zutrauen und unseren Mitmenschen von vornherein misstrauen, sind positive Entwicklungen seltener. Veränderung und Heilung treten leichter ein, wenn wir anderen gegenüber wohlwollend sind und ihnen ohne Vorbehalte begegnen.“

ANGSTE ÜBBERWINDEN, UM NEUE WEGE ZU GEHEN

Bibelstelle

Jesus befahl seinen Jüngern, sich mit dem Boot über den See Genezareth auf den Heimweg zu machen. Doch ein Sturm brachte die Jünger in Gefahr. Jesus ging über das Wasser zu ihnen. Die Jünger hielten ihn für einen Geist und schrien vor Angst. „Ich bin es“, beruhigte Jesus sie. „Wenn du es bist, Herr“, sagte Petrus, „lass mich zu dir gehen.“ Jesus forderte ihn dazu auf, zu ihm zu kommen. Petrus ging aufs Wasser. Er bekam Angst und drohte in den hohen Wellen unterzugehen. „Rette mich, Herr“, schrie er. Jesus streckte die Hand nach ihm aus und hielt ihn fest. „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“, fragte er ihn und nahm ihn mit ins Boot. Sofort legte sich der Sturm und das Wasser wurde ruhig. (Matthäus 14,22-33)

Botschaft

Klimek: „Das ist eine starke Geschichte, die viel mit unserer Gegenwart zu tun hat, wenn man sie im übertragenen Sinne versteht. Sie la?sst sich nicht nur auf menschliche Entwicklungsprozesse, sondern vielleicht auch auf den Pfarreientwicklungsprozess im Bistum Essen beziehen. Da geht es schließlich auch darum, trotz widriger Umstände neue Wege zu gehen und das schützende Schiff des gewohnten Miteinanders zu verlassen – ohne zu wissen, ob man schon stark genug dafür ist.“

Nicolaus Klimek ist auch Leiter des Diözesan-Bibelwerks. Er bietet Online-Kurse für Bibel-Interessierte an. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Informationen und Anmeldung unter bene.mg/bibelwerk.

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