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Aus Rumänien ins Ruhrgebiet

Mihai Suciu setzt sich für Menschen aus Rumänien ein, Foto: Achim Pohl

Juni 2025

MISSION: ZUSAMMEN WACHSEN

Mihai Suciu baut eine rumänische Gemeinde in Essen auf

Es ist ein europäisches Land mit malerischer Natur und viel Sonne – aber als mögliches Ziel für die Sommerferien dürften es die wenigsten auf dem Schirm haben: Rumänien. Ob Badeurlaub am Schwarzen Meer, Wandertouren durch die Südkarpaten – auch als „Transsilvanische Alpen“ bekannt – oder ein Trip in die Hauptstadt Bukarest: Tatsächlich haben namhafte deutsche Reiseveranstalter Rumänien im Programm. „Das lohnt sich auch“, bestätigt Mihai Suciu. Aber der Pfarrer der rumänischen griechisch-katholischen Gemeinde, die jetzt neu im Bistum Essen gegründet wurde, weiß auch: Sein Heimatland hat viele Probleme.

„Bine ati venit, willkommen!“ In feierlichem Gewand begrüßt Mihai Suciu die Gläubigen in St. Mariä Himmelfahrt im Essener Stadtteil Altendorf. In dieser katholischen Kirche feiert immer am vierten Sonntag des Monats die rumänische griechisch-katholische Gemeinde im Bistum Essen Gottesdienst. Das Wort „Gemeinde“ trifft es vielleicht noch nicht ganz. Das Angebot ist noch neu und gerade erst dabei, sich herumzusprechen in Essen und den umliegenden Städten. Immerhin fanden bei der ersten Messe Ende März schon gut 20 aus Rumänien stammende Christinnen und Christen den Weg zu Pfarrer Suciu. „Danach standen wir noch ein bisschen zusammen, da waren die Leute noch etwas schüchtern. Die Gemeinde muss sich jetzt erst finden und kennenlernen“, beschreibt der Geistliche.

Dass das Zusammenwachsen gelingt, dafür sieht er gute Chancen. Das ist nämlich schon zweimal gelungen: in den Erzbistümern Paderborn und Köln, für die Mihai Suciu schon länger zuständig ist. „Ja, das bedeutet viel Fahrerei“, bestätigt er lachend. Von seinem Wohnort nahe Osnabrück steuert der 40-Jährige mit seinem dunkelgrünen Skoda Octavia regelmäßig Kirchen zum Beispiel in Düsseldorf, Dortmund und nun auch in Essen an, um Gottesdienste im rumänischen griechisch-katholischen Ritus abzuhalten. Die Glaubensgemeinschaft ist eine der sogenannten „Ostkirchen“: Der Papst in Rom ist ihr Oberhaupt, sie folgt aber ihrem eigenen Recht. Und so erklärt sich unter anderem, dass Mihai Suciu ganz selbstverständlich seine Frau und seine beiden Töchter in dem Essener Gotteshaus vorstellt. Im Gegensatz zu römisch-katholischen Geistlichen durfte er heiraten und eine Familie gründen. „Trotzdem gibt es aber auch bei uns Priestermangel“, berichtet er.

909.755 Menschen aus Rumänien leben laut Statistischem Bundesamt derzeit in Deutschland (Stand Dezember 2024). Sie bilden damit hier die größte aus einem anderen EU-Land stammende Bevölkerungsgruppe. Was die Menschen in Rumänien derzeit am meisten beschäftigt? „Die Armut und der Krieg im Nachbarland“, weiß der Pfarrer. Rumänien grenzt direkt an den Süden der Ukraine. „Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine leistet Rumänien umfassende Unterstützung für die Ukraine und die Republik Moldau sowie bei der militärischen Stärkung der Südostflanke der NATO. Rumänien ist seit 2004 NATO-Mitglied und seit 2007 Mitglied der Europäischen Union“, heißt es in einer offiziellen Erklärung des deutschen Auswärtigen Amts.

Den Eindruck der Stabilität, der so entstehen könnte, bringt nicht nur Pfarrer Suciu ins Wanken, wenn er davon erzählt, dass seine „Landsleute leider vielfach dazu neigen, auf populistische Propaganda reinzufallen“. Russland ist eben auch nicht weit. Die Zerrissenheit legte im Januar eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung dar: „Die Stimmung in Rumänien ist düster und reicht von Besorgnis (Großstädte) über Depression (mittlere oder kleine Städte) bis hin zu Verzweiflung (ländliche Gebiete)“, so fasste es die Untersuchung zusammen.

Trotz allem: Mihai Suciu bleibt als Christ voller Hoffnung. Was wäre seiner Meinung nach wichtig für die Menschen aus Rumänien, die in Deutschland leben? „Sich das Gute aus Deutschland anzueignen: die Erfahrungen, die Werte“, lautet seine Antwort. Und: „Sich mehr einzubringen: lokal, politisch, gesellschaftlich, kirchlich.“

Was den letzten Punkt angeht, ruft Suciu die Geschichte seines Geburtslandes in Erinnerung: „In der kommunistischen Ära Rumäniens von 1948 bis 1990 war die griechisch-katholische Kirche wegen ihrer Union mit Rom verboten. Vor dem Kommunismus bekannten sich zirka 1,8 Millionen Rumäninnen und Rumänen zu unserer Kirche. Zurzeit sind es meines Wissens etwa 160.000.“

Den „wachsenden Bedarf an rumänischsprachiger Seelsorge“ in Deutschland hat das Bistum Essen erkannt und mit Pfarrer Suciu ein entsprechendes Angebot geschaffen. „Allen Haushalten im Ruhrbistum, in denen Rumänisch gesprochen wird, haben wir eine Postkarte mit Informationen dazu geschickt“, so Katarzyna Paczyńska-Werner. Die Referentin für Gemeinden anderer Muttersprachen und Interkulturelle Jugendpastoral im Bistum ist sich sicher: „Für viele ist die Sprache der Schlüssel zum Glauben: zur spirituellen Tiefe, zum Vertrauen und zur Gemeinschaft. Und auch eine Messe mit den eigenen Ritualen feiern zu können, ist wichtig.“

Obwohl die Zahl der rumänischen griechisch-katholischen Gläubigen in Deutschland nur klein ist, ist Mihai Suciu überzeugt, dass er hier etwas bewirken kann. Er will seinen Landsleuten unter anderem das vermitteln: „Wir müssen uns nicht als Gäste betrachten, sondern als Teil der Gesellschaft. Wir haben vieles zu lernen, aber auch zu geben.“ Er selbst beherzigt das, seit er 2012 im Alter von 27 Jahren nach Deutschland kam. Einen Anstoß fürs Auswandern gab unter anderem die Liebe zur deutschen Sprache, die Suciu schon als Kind in der Schule lernte. Seinem Beruf widmet sich der Pfarrer hier nun mit Hingabe – wie sich zum Beispiel nach den rumänischen Messen in Essen bei freundlichen Gesprächen mit den Anwesenden beobachten lässt. Danach geht’s für den Vielfahrer wieder mit dem Auto zurück nach Niedersachsen.

Bei so viel Einsatz dürfte bei ihm doch so langsam der Gedanke an einen Sommerurlaub aufkommen, oder? Der Familienvater lacht. „Es steht noch nicht ganz fest, aber tatsächlich fahren wir wahrscheinlich nach Rumänien. Meiner Frau und mir ist wichtig, dass unsere Töchter die Verbindung zu unseren Wurzeln behalten.“

Text Sandra Gerke

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