Seelsorge für NATO-Kampfgruppe in Litauen

Foto: Bundeswehr/PAO

"Ein aufmuntertes Wort und eine offene Tür"

Militärseelsorger Stephan Lorek begleitet deutsche Soldatinnen und Soldaten in Litauen

„Hier spricht Militärdekan Stephan Lorek. Ich melde mich aus Litauen.“ Auf diesen Anruf hat die BENE- Redaktion gehofft. Lorek hat sich bereit erklärt, aus seinem Berufsalltag zu berichten. Dieser ist ohnehin schon ein besonderer, aber seit Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine nimmt man ihn noch einmal anders wahr: Lorek ist als katholischer Militärseelsorger im Einsatz. Er steht den Soldatinnen und Soldaten zur Seite, die in Litauen zur militärischen Abschreckung und Übung stationiert sind.

2017 beschloss die NATO, Soldatinnen und Soldaten nach Polen und in die baltischen Staaten zu entsenden. „Die Mission ,enhanced Forward Presence‘ dient der Sicherung der osteuropäischen Staaten und der Abschreckung von Bedrohungen des Bündnisgebiets. Die Mitgliedstaaten reagieren mit der ,verstärkten Vornepräsenz‘ auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und die fortgesetzte Destabilisierung der Ukraine“, hieß es offiziell. Deutschland übernahm die Führung der „Battlegroup“, der Kampfgruppe in Litauen, zu der auch Frauen und Männer aus Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Tschechien gehören. Island, das als NATO-Mitglied über keine eigenen Streitkräfte verfügt, beteiligt sich mit zivilen Kräften.

Untergebracht ist die internationale Truppe in Rukla, rund 100 Kilometer nordwestlich der litauischen Hauptstadt Vilnius. Aufgrund der aktuellen weltpolitischen Ereignisse wurde das gut 1.000-köpfige Team vor Ort um 350 zusätzliche Kräfte verstärkt. „Das war nach Beginn der Angriffe auf die Ukraine erst mal die Veränderung bei uns vor Ort, die man am meisten gespürt hat: dass mehr Menschen untergebracht werden mussten als anfänglich geplant“, berichtet Stephan Lorek.

Was genau ist sein Job als Seelsorger dort? „Dass die Männer und Frauen ,den lieben Gott‘ nicht vergessen, grob umrissen. Dass sie ihrem Recht auf Religionsausübung nachkommen können, auch im Einsatz, und sie, wenn sie es wollen, eine seelsorgliche Begleitung in ihren persönlichen Anliegen haben“, erklärt der Pfarrer.

„Es gibt Gottesdienste mit anschließenden Gesprächsrunden, in denen auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommt, ein Lächeln im Alltagsgeschäft, ein aufmunterndes Wort und eine offene Tür für vertrauliche Gespräche.“ Bei solchen Gesprächen, ob man sie nun wa?hrend eines Auslandseinsatzes oder in der Heimat führe, setze man sich oft auch mit moralischen Wertefragen rund um „das soldatische Tun“ auseinander.

„Die größten Herausforderungen sind bei den meisten die Trennung von der Familie für bis zu sechs Monate und das Zusammenleben auf engerem Raum hier mit all seinen Begleiterscheinungen“, erzählt Stephan Lorek. Er ist während des Telefonates mit BENE nicht allein. Ihm steht während seiner ganzen Zeit in Litauen ein persönlicher „Begleitsoldat“ zur Seite. „Oberfeldwebel Nicolas Holz ist für mich das Bindeglied zur Truppe und mein Mitarbeiter im Tagesgeschäft. Er begleitet mich zu Terminen und Erkundungen als Fahrer im Einsatzland. Er gestaltet auch die Messen in Rukla und Feldgottesdienste auf dem Truppenübungsplatz Pabrade mit.“

Der Oberfeldwebel erklärt sich kurzerhand bereit, BENE auch eine Frage zu beantworten: Wie empfindet er seine Arbeit in Anbetracht der veränderten Lage?„Ich fühle mich hier nicht bedroht. Das Gleiche spiegeln mir auch viele Kameradinnen und Kameraden wider.“ Er habe die Möglichkeit, täglich mit seiner Familie in Deutschland zu telefonieren. „Dadurch hat meine Familie immer ein gutes Lagebild von mir und ist dementsprechend beruhigt. Zu Hause fehle ich im Tagesgeschäft, was vor allem meine Frau herausfordert – aber nicht belastet. Die Bundes- wehr bietet auch Unterstützung über den Sozialdienst vor Ort in Deutschland für die Familien an.“

Der Militärdekan und der Oberfeldwebel verabschieden sich freundlich. Die Arbeit ruft. Rund 1.000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt. Und rund 100 Kilometer von der belarussischen Grenze.

Kurz nach dem Gespräch mit BENE ging Stephan Loreks Zeit in Litauen zu Ende. Planungsgemäß übernahm eine evangelische Seelsorgerin für ein Vierteljahr die Stelle. Danach wird wieder ein katholischer Kollege folgen. Lorek bleibt der Bundeswehr verbunden. Als Seelsorger an Standorten in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Spätestens im September, bei der nächsten Gesamtkonferenz der deutschen Milita?rseelsorge, wird er seinen Chef wiedersehen, den Bischof von Essen: Franz-Josef Overbeck ist Deutschlands Katholischer Militärbischof.

DER MILITÄRBISCHOF AUS DEM RUHRGEBIET

Der Bischof von Essen hat eine zusätzliche Aufgabe: Franz-Josef Overbeck ist seit 2011 Katholischer Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr, der sechste in der Geschichte der Bundeswehr. Overbeck ist als solcher Leiter der Seelsorge für die katholischen Soldatinnen und Soldaten und ihre Familienangehörigen. „Gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Aufgabe“, kommentierte Overbeck damals zu seiner Ernennung. Eine Einschätzung, die brandaktuell geblieben ist.

Anlässlich des russischen Angriffs auf die Ukraine wandte sich der Militärbischof im April an die deut- schen Soldatinnen und Soldaten: „Viele von Ihnen treibt die seelisch belastende Frage um, welche Szenarien drohen, sollte der Konflikt eskalieren und infolge eines Angriffs auf ein NATO-Mitglied der Bündnisfall ausgerufen werden“, schrieb Franz-Josef Overbeck in einem offenen Brief, der in der Militärseelsorge-Zeitschrift „KOMPASS“ erschien. Darin sichert er ihnen seine volle Unterstützung zu. „Gerade in diesen Tagen ist die hohe Wertschätzung, die zahlreiche Menschen den Angehörigen der Bundeswehr entgegenbringen, in unserer Gesellschaft deutlich zu spüren. Ihr Auftrag ist es, Friedensdienst zu leisten und Wege zur Versöhnung zu ermöglichen. Sie haben ein Anrecht darauf, dafür bestmöglich ausgestattet zu sein“, so der Bischof.

„Es ist die Aufgabe der Militärseelsorge, für den Frieden zu beten. Das Gebet hat für uns Christen eine Kraft, die über das, was ein Mensch allein tun kann und was Menschen gemeinsam tun können, noch hinausgeht. Denn es ist ein Zeichen von Glaube an das Gute im Menschen, das am Ende siegt.“ Im Angriffskrieg auf die Ukraine könne man „die Fratze des Bo?sen sehen“. „Ihr stellen wir uns entgegen und bekennen: Das Böse darf und wird nicht das letzte Wort haben – diese Gewissheit bringen wir vor Gott, verbunden im Gebet. So ist Beten immer auch ein Zeichen von Hoffnung.“

Text Sandra Gerke

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