Bewusstsein

Powerfrau: Gelsenkirchens Polizeipräsidentin

Polizeipräsidentin Britta Zur
Polizeipräsidentin Britta Zur. Foto: Nicole Cronauge

„DAGEGEN MUSS MAN SICH WEHREN“

5 Fragen an Polizeipräsidentin Britta Zur

Britta Zur ist seit knapp einem Jahr Polizeipräsidentin von Gelsenkirchen. Schnell wurde sie über die Stadtgrenzen hinaus bekannt: weil sie mit ihren 40 Jahren die jüngste Behördenleiterin des Landes ist – und treffsicher. Das zeigt Britta Zur nicht nur mit dem Boxsack in ihrem Büro, sondern vor allem mit ihren Aussagen. So mahnt die Juristin zum Beispiel immer wieder die Diskriminierung von Frauen an: „Was ich mir schon alles habe anhören müssen, weil ich so eine Position und zwei Kinder habe. Das ist nicht in Ordnung“, kritisiert die langjährige Staatsanwältin für Schwerstkriminalität im Gespräch mit BENE-Redakteurin Sandra Gerke.

BENE: Liebe Frau Zur, Sie mussten sich unter Corona-Bedingungen in einen neuen, anspruchsvollen Job einarbeiten. Was gehört alles zu den Aufgaben einer Polizeipräsidentin?
Britta Zur: Das ist ein Job mit vielen Facetten. Die Polizei Gelsenkirchen hat knapp 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich bemühe mich um eine gute Kommunikation innerhalb unserer Behörde – und nach außen, zum Beispiel zur Stadt. Einen inhaltlichen Schwerpunkt, den ich hier gesetzt habe, ist das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte. Täglich werden meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beleidigt, angefeindet und angegriffen. Ich sage meinen Leuten ständig: Meldet das, schreibt Anzeigen! Das Problem kennen viele Menschen im öffentlichen Dienst: bei der Feuerwehr, an Schulen. Dagegen muss man sich wehren!

Sie sind als Düsseldorferin nach Gelsenkirchen gekommen. Können Sie das Klischee bestätigen: Herrscht im Ruhrgebiet ein rauerer Ton?
Zur: Der Rheinländer und der Ruhrgebietler sind ja gar nicht so weit voneinander entfernt. Beide tragen das Herz auf der Zunge, was mir persönlich sehr entgegenkommt. Der Ruhrpottler ist vielleicht tendenziell ein bisschen „kerniger“. Ich mag diese offene, zugewandte Art. Was Kriminalitätsprobleme angeht, gibt es hier im Ruhrgebiet noch mal andere als im Rheinland. Im Ruhrgebiet haben wir zum Beispiel verstärkt mit Clan-Kriminalität zu tun.

Im September sind Polizisten und Polizistinnen im Ruhrgebiet aufgeflogen, die in sozialen Netzwerken rechtsex­tremistische Propaganda ausgetauscht haben.
Zur: Was da ans Tageslicht gekommen ist, ist furchtbar, keine Frage! Man könnte sagen, dass es schon immer auch schwarze Schafe bei der Polizei gab und wir letztlich auch nur ein Querschnitt der Gesellschaft sind. Aber ich verlange, dass wir als Polizei besser sind als der Durchschnitt. Wir haben auf das Grundgesetz geschworen. Wir sind diejenigen, die für dessen Werte stehen, für all das, was unsere Gesellschaft ausmacht. Es ist superwichtig, dass wir mit diesen Problemen, die da jetzt aufgeworfen worden sind, offen umgehen, nichts unter den Teppich schieben und versuchen, alles aufzuklären. Der Appell an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lautet: Wenn man auffällige Kollegen meldet, hat das nichts mit mangelnder Kameradschaft zu tun. Ich erwarte von der Polizei, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr jederzeit vertrauen können. Gegen den Vorwurf, dass wir ein strukturelles Problem bei der Polizei haben, wehre ich mich. Wir haben unfassbar fleißige, hervorragende Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag auf gut Deutsch gesagt für Sie alle ihren Arsch riskieren.

Ob damals bei der Staatsanwaltschaft oder jetzt bei der Polizei: Sie hatten beruflich schon immer mit menschlichen Abgründen zu tun. Fällt es Ihnen da schwer, noch an das Gute im Menschen zu glauben?
Zur: Wenn man so viel Mist gesehen hat wie ich –  gequälte Kinder und Frauen, Tote –, weiß man das Gute viel mehr zu schätzen: das, was ich als Privatmensch habe. Auf der anderen Seite bin ich desillusioniert in vielen Dingen. Ich wähne überall das Verbrechen. Mein Mann ist gläubig, geht auch mit den Kindern in die Kirche. Aber für mich ist Glaube kein Thema. Manchmal wünschte ich, es wäre so. Ich beneide oft Menschen, die diesen Anker haben, an dem sie sich festhalten können in schweren Zeiten.

Wenn jetzt dieses besondere erste Jahr im neuen Job zu Ende geht: Werden Sie die Weihnachtszeit nutzen können, um ein wenig zur Ruhe zu kommen?
Zur: Sicher, Familienzeit ist fest eingeplant! Den Heiligabend werde ich aber zunächst auf meinen Wachen verbringen und an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Weihnachtsgrüße verteilen. Die müssen ja auch arbeiten!

Das Gespräch führte Sandra Gerke

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