Eine Hommage ans Geschwisterkind

Erstgeborene sind perfektionistisch,  Mittelkinder drücken sich, Nesthäkchen sind verwöhnt und tanzen gerne aus der Reihe. So hat es der amerikanische Psychologe Kevin Leman beschrieben. Kinder, Kinder! Gar nicht so einfach mit den lieben  Brüdern und Schwestern! Jeder, der Geschwister hat, kennt unzählige Geschichten – sie reichen von sympathischer  Verbundenheit über große Zuneigung  und Liebe bis hin zu Unverständnis, größtmöglicher Abgrenzung und verbissener Rivalität. 

Und das alles wegen der Eltern!  Natürlich. Aber das sollte ihnen keiner verdenken. Sie sind nun mal die ersten Bezugspersonen. Und wenn dann ein Geschwisterkind dazu kommt, ändert  sich zum ersten Mal im Leben alles ...

Lieber jüngerer Bruder, merkt die älteste Schwester an: Ja, natürlich war das toll, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen, der Star zu sein! Aber, dass du da bist und dazu kamst, hat das Leben doch erst so richtig bereichert: Ja, klar, es gibt Konkurrenz. Nein, das Leben ist eben kein Kindergeburtstag. Ja, Teilen kann auch Freude machen. Und wärst du nicht, wäre ich vielleicht nicht so strebsam und durchsetzungsfähig geworden. Auch wenn es mich geärgert hat, dass ich längst nicht so vieles durfte wie du später. Ich habe dir den Weg geebnet. Du hast dennoch fast alles anders gemacht als ich, hast deinen eigenen Kopf gehabt und einen anderen Weg eingeschlagen. Auch ‘ne Form der Wettkampf-Annahme. Und aus heutiger Sicht: Gut so!

Einen großen Bruder zu haben, das hat auch was, wirft jetzt die kleine Schwester ein: Auch wenn du am Anfang nicht viel mit mir anfangen konntest, je älter ich wurde, umso stolzer wurdest du auf mich, die „Kleene“. Und hast mich natürlich unterstützt, wo du nur konntest!

Als einziger Junge und als „Mittelkind“ ging es mir ziemlich gut, sagt ein Bruder zweier Schwestern. Nein, er war kein klassisches „Sandwichkind“, dem nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wurde und das dann zum Rebell wurde. Auch das wird in der Literatur häufiger beschrieben. Nein, er war der Liebling, bei der Mutter, bei den Omas, bei den Tanten. Er war ja der einzige. Unbeschadet durch die Pubertät und hoffentlich durchs Leben, auch dank dieser Konstellation. 

Und dann war da noch das Nesthäkchen: Verwöhnt von den Eltern, ja, vor allem, wenn es mit den Größeren schon den ersten Stress in der Schule oder in der Pubertät gab. Eifersucht, Rangeleien, Prügeleien – willkommen beim evolutionären und emotionalen Rüstungswettlauf um die Anerkennung von Mama und Papa! 

Und dennoch hat das jüngste Kind nicht automatisch immer die Glückskarte gezogen. Gar nicht so einfach, sich gegen die Großen durchzusetzen. Und um bei den übermächtigen Geschwistern Anerkennung zu ernten, hilft manchmal nur Komik. Nicht selten werden die Jüngsten gerne mal zum Clown. Oder sie bleiben das ewige, nicht immer ernst genommene „Baby“.

Doch bei allen Unterschiedlichkeiten und Differenzen: Wie schön, wenn wir als Erwachsene erleben dürfen, dass das Geschwisterkind doch aus demselben Holz geschnitzt ist. Wir erkennen uns wieder. Unsere Marotten ähneln sich. Genetisch bedingt? Gelernt? Egal, Hauptsache, wir gehören zusammen.  

Oft kommt es erst wieder zum Geschwisterschwur, wenn es ans Eingemachte geht, die Eltern krank werden, versorgt werden müssen. Nicht immer geht das glimpflich aus. Auch und vor allem dann nicht, wenn es wieder um das ureigenste Geschwister-Thema geht: Teilen lernen.

Wohl denen, die bei aller Rivalität im Elternhaus doch ebenbürtig behandelt worden sind. Und wenn nicht, wohl denen, die als Erwachsene dennoch die Kraft haben, sich davon freizumachen. 

Liebe Brüder und Schwestern, es ist wie  im wahren Leben: Euer Bruder, eure Schwester – jeder trägt ein Päckchen mit sich. Es ist ganz sicher ein anderes als  euer eigenes, aber es ist deswegen nicht weniger (beachtens-) wert. 

Geschwister waren unsere treuesten Spielkameraden und oft unbewusst  akribische Kenner unserer persönlichen Situation. Sind sie nicht unsere besten Freunde? Dann sollten Sie es schleunigst werden.

Ja, sie können mehr als alle anderen den Finger in Wunden legen, aber sie können auch trösten und verstehen. Sie sind ein Teil von uns, ob wir wollen oder nicht. Warum suchen Menschen, die ihre Geschwister aus den Augen verloren haben, oft Jahrzehnte nach ihnen? Es gibt dieses unsichtbare Band. Warum lassen sich unverarbeitete Gefühle aus Kindheit und Vergangenheit so häufig nur mit dem Aufeinanderzugehen von Geschwistern lösen? 

Weil wir eine Schicksalsgemeinschaft sind. Von Geburt an. In guten und in schlechten Zeiten. Daran sollten wir uns zuweilen erinnern.                                                                               

Text: Jutta Laege / Mitarbeit: Antje Fasshauer

 

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