Vom Leben der Klinikclowns

Von Jutta Laege

BENE: Klassischerweise stehen Clowns ja in der Manege. Was unterscheidet Sie von einem Zirkusclown?

Paulus: Wir spielen kein festes, sondern ein spontanes, improvisiertes Programm. Wir machen Musik, können zaubern, entwickeln Geschichten. Jeder hat da auch seine Schwerpunkte. Im Krankenzimmer versuchen wir das zu erspüren, was angesagt und hilfreich für die Patienten, die Angehörigen und die Situation ist.

Schlund: Wir kommen natürlich in Momenten, in denen wir nicht erwartet werden. Wir können als Clowns ziemlich viel tun und auch ziemlich viel lassen. Improvisation meint: Wir überraschen und können uns überraschen lassen von der Situation. Da macht man nicht einfach die Tür auf und legt mit einem vorgefertigten Programm los.

BENE: Wie wird man Clown und was braucht es dafür?

Schlund: Es gibt viele Möglichkeiten. Man braucht natürlich ein bisschen Mut. Wenn ich Traute habe, kann ich einfach rausgehen auf die Straße, mir ne Nase aufsetzen, mich verkleiden und ausprobieren. „Learning by doing“ ist immer gut. Aber man kann, so wie wir, natürlich auch eine Clownsausbildung machen, sich schauspielerisch, tänzerisch oder artistisch schulen. Das alles lässt sich ja wunderbar für die Figur eines Clowns nutzen. Und Lebenserfahrung ist in unserem Bereich natürlich von großer Bedeutung. 

Paulus: In die Klinikarbeit sind wir aber nicht einfach reingesprungen. Wir sind mit anderen Clowns aus unserem Verein erst einmal mitgelaufen, um hineinzuwachsen in diesen besonderen Bereich.

BENE: Wenn man Sie so beobachtet, weiß man sofort: Sie lieben Ihre Arbeit!

Schlund: Lust und Spaß, ein Clown zu sein - klar, das ist die Grundvoraussetzung. Man muss schon ein bisschen verrückt sein. Auch wenn ich natürlich privat ruhiger bin, das würde ich sonst gar nicht aushalten und mein Umfeld auch nicht. Vor allem darf man sich aber, das ist ja das Wesen  eines Clowns, nicht zu ernst nehmen. Man muss über sich selbst lachen können. Das ist das Wichtigste. Im Klinikalltag ist es gut, dass wir nicht alleine unterwegs sind. Jedes Paar hat ja auch so eine Chemie miteinander.

BENE: Welche Geschichten gehen Ihnen besonders zu Herzen?

Schlund: Spontan gesagt: Es sind die Geschichten von Kindern und Jugendlichen, die wir immer wieder treffen, weil sie chronisch krank sind. Sie sind ständig in irgendwelchen Kliniken, haben gar keine Jugend. Das beschäftigt mich schon sehr.

BENE: Was hat Sie in Ihrer Laufbahn als Klinikclown am meisten berührt?

Paulus: Ich habe kürzlich einen ehemaligen Patienten getroffen, den ich schon kenne, seit er ein kleiner Junge war. Nach all den schweren Jahren war er so voller Lebenskraft, will jetzt seine Schule abschließen und überlegt, was er beruflich machen möchte. Das war zwar kein klassischer Clownsmoment, aber eine sehr  bewegende Begegnung.

Schlund: Rührend war auch der Geburtstag einer kleinen Patientin. Da wollten wir ein Ständchen singen. Und was geschah? Sie hatte ein Geschenk für mich, eine selbst gestrickte Mütze. Da war sogar ich kurz sprachlos.

BENE: Sie wollen Freude bringen, aber Sie treffen auch auf Leid und bittere Geschichten. Wie gehen Sie damit um?

Paulus: Wenn man sich einlässt auf den Moment der Traurigkeit, dann führt oft auch ein Weg heraus. Manchmal muss man sich nur dazusetzen. Und dann ergibt sich vielleicht etwas. Oder auch nicht. Man kann das nicht vorhersehen.

Schlund: Die Clowns, die regelmäßig auf onkologischen Stationen spielen, kennen ihre Patienten gut, die gehen auch richtig mit durch die Krankheitsgeschichte. Es ist auch schon passiert, dass Eltern darum gebeten haben, dass die Clowns zur Beerdigung kommen, wenn ihr Kind gestorben ist. Weil die Bindung ihres Kindes zu den Clowns so eng war, oder weil die Clowns in der schmerzvollen Stunde ein bisschen trösten können. Das ist ja auch das Wesen eines Clowns. Er ist nicht immer fröhlich, aber er berührt.

BENE: Berührung ist ein gutes Stichwort. Ohne Empathie geht es nicht, oder?

Schlund: Unser Job erfordert viel Durchlässigkeit, das stimmt. Man muss offen sein. Und man muss auch aushalten können.

Paulus: Wir haben ja ein kleines Publikum, mit dem haben wir wirklich persönlichen Kontakt. Kinder möchten sofort spielen, schnell sein. Die wollen nicht wissen, wieso seht ihr so aus. Senioren hingegen müssen uns erstmal einordnen.

Schlund:Die Älteren wollen ernst genommen werden. Da kommen wir zwar als Klara und Anton herein, aber wir begrüßen sie ganz ohne Faxen und nehmen uns auch die Zeit, einfach nur zu reden oder Erfahrungen auszutauschen. Manchmal ist es nur noch äußerlich zu erkennen, dass wir Clowns sind. Das ist in gewisser Weise aber auch eine Art Narrenfreiheit. Kontakt und Berührung sind da nicht zweckgebunden, weil die Patienten ernährt oder gewaschen werden müssen. Berührung ist einfach dafür da, Nähe zu schaffen. So wie es viele alte Menschen gar nicht mehr erleben.

BENE: Sind Clowns Menschenfreunde?

Paulus: Jaaaa! Wenn nicht, wär‘s  schlimm ...

Schlund: Definitiv! Clowns lieben Menschen, sonst könnte ich das nicht machen.

Paulus: In jeder Form: groß, klein, dick, dünn, jung, alt.

Schlund: Ich habe als Clown nicht diese  Kategorien, Zuneigung oder Abneigung, die ich vielleicht privat habe.

Paulus: Meine Figur Klara schützt mich, schafft aber auch eine besondere Vertrautheit. Ich könnte einerseits im Krankenhaus auf manches nicht so reagieren, wenn ich mein Kostüm nicht hätte. Und ich würde mich andererseits ja nicht sofort ans Bett einer älteren Dame setzen oder meinen Arm um jemand Fremdes legen. Auch Angehörige erzählen uns oft so persönliche Dinge, nur weil wir diese Figur sind.

BENE: Wenn Sie Klara und Anton beschreiben sollen, wie sind die?

Schlund: Anton ist auf jeden Fall sehr neugierig, naiv, direkt und verspielt. Den interessiert nicht so sehr, ob er was erreicht. Er guckt gerne in Handtaschen, ist manchmal ein bisschen grenzüberschreitend, aber immer liebevoll dabei.

Paulus: Klara versucht immer schick zu sein und sich gut zu benehmen, aber es gelingt ihr nicht so. Sie tanzt und bewegt sich gerne. Manchmal übertreibt sie auch ganz furchtbar.

BENE: Was kann es Sinnvolleres geben als Klinikclowns  –  denn Lachen macht ja bekanntlich gesund.

Schlund: Es hilft auf jeden Fall. Wenn ich lache, kann ich nichts anderes tun. Ich habe dann ja den Moment des Lachens schon als gesunden Moment gewonnen. Und wenn ich viel lache, habe ich in der Summe natürlich viele gesunde Momente.

Paulus: Körperlich regt es die Atmung an, senkt den Blutdruck und die Stresshormone. Es gab mal eine Studie mit Kindern,  die von Clowns regelmäßig zur Untersuchung begleitet wurden. Da konnte nachgewiesen werden, dass diese Kinder weniger Schmerz- und Beruhigungsmittel gebraucht haben.

BENE: Fehlt eigentlich nur noch ein Clownsprogramm fürs Klinikpersonal...

Paulus: Wir können uns nicht beklagen. Die Pfleger spielen schon oft mit. Und inzwischen nehme ich es auch als großes Kompliment, dass Ärzte, wenn wir im  Zimmer sind, schon mal sagen: Okay, wir kommen dann später wieder.

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