In Erinnerung bleiben

Text Kathrin Brüggemann  |  Fotos Achim Pohl

Detailverliebtheit, Leidenschaft, Einfühlungsvermögen – Eigenschaften, die Stefan Königsfeld neben dem handwerklichen Können unbedingt braucht. „Als Steinbildhauer ist man immer auch Trostspender“, erklärt er uns, während wir in seinem Büro an einem runden Holztisch sitzen. Ein freundlicher, heller Raum, in dem man sich wohlfühlt. In einem Regal reihen sich bunte Grableuchten und Miniatur-Grabsteine aneinander. Auf dem Boden steht die Bronzenachbildung eines Engels. Hier empfängt Stefan Königsfeld seine Kunden.

„Viele Angehörige kommen zu mir und sind völlig hilflos“, sagt er mit ruhiger Stimme. Sein Blick ist sanft und nachdenklich. „Oft ist es so, dass sie erst mal weinen, weil sie mit der Situation nicht fertig werden. Dann muss ich natürlich auch Trauerarbeit leisten.“ Er spricht dann erst einmal mit ihnen über die verstorbene Person. „Ich muss ein Gefühl für den Menschen bekommen. Das ist die Grundlage meiner Arbeit.“

Es sind Begegnungen, die belastend sein können. „Manchmal nimmt mich das schon mit, das muss ich zugeben. Vor allem dann, wenn Eltern hier sitzen und von ihren verstorbenen Kindern erzählen.“ Vor kurzem musste Stefan Königsfeld, der verheiratet ist und eine 18-jährige Tochter hat, selbst einen Todesfall verkraften. „Meine Mutter ist gestorben. Da muss ich jetzt natürlich professionell sein und auch für sie einen Stein machen.“ Dieser wird nicht „glatt und glänzend“ sein, denn so sei seine Mutter nicht gewesen. „Der Stein muss Ecken und Kanten haben.“

BEDEUTUNG DES GRABSTEINS

 Das Grabmal sollte im besten Fall die Persönlichkeit des Verstorbenen widerspiegeln, findet Königsfeld. „So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich sollten eigentlich auch die Grabsteine sein.“ Doch viele Trauernde machen sich darüber noch zu wenig Gedanken. „Die Bedeutung des Grabsteins wird leider unterschätzt. Genauso wie die Grabstelle an sich unterschätzt wird.“ Stefan Königsfeld erlebt es immer wieder, dass Angehörige mit einer Wiesen- oder Seebestattung nicht zurechtkommen. „Bei der Trauerbewältigung hilft es einfach ungemein, an eine Grabstätte gehen zu können.“  An eine Grabstätte, die möglichst individuell gestaltet ist. Doch genau da gibt es noch Nachholbedarf. „Man muss nur mal über den Friedhof gehen, dann wird man feststellen, wie viele Rosen, betende Hände und Bücher auf den Steinen abgebildet sind. Die Ähnlichkeit ist schon groß.“

Vielen Angehörigen fehlt vermutlich die Kraft, sich nach einem Todesfall eingehend mit diesem Thema auseinanderzusetzen, vielen mangelt es an ausreichender Information. Dazu kommt, dass die Friedhofssatzungen der individuellen Gestaltung Grenzen setzen können. Das ist allerdings nicht immer der Fall. „Ich erinnere mich an Eltern, die den Stein ihres verstorbenen Säuglings in Form von Winnie Puuh bauen ließen, weil der Bär das Lieblingskuscheltier des Kindes war. Der Grabstein, den ich für einen Sechsjährigen angefertigt habe, ist seinen Bauklötzen nachempfunden. Eine andere Familie hat einen Stein aus dem eigenen Garten für die Beerdigung des Vaters mitgebracht.“ Die Angehörigen hätten bei der aktiven Mitarbeit das Gefühl, noch etwas für den Verstorbenen tun zu können. Sie tragen so dazu bei, dass der geliebte Mensch in Erinnerung bleibt.

DEN FRIEDHOF INS LEBEN HOLEN

Auf die Frage, welcher Auftrag ihn besonders berührte, überlegt Stefan Königsfeld kurz, bevor er leise antwortet. „Eine junge Mutter, die den Tod ihres Ehemannes betrauerte, ließ den Fußabdruck ihres Säuglings in Knetmasse drücken. Den Abdruck haben wir dann in Bronze gegossen.Das ist nichts Aufwändiges, aber es ist halt individuell.“ Wer nicht möchte, dass die persönlichen Hinweise auf den Verstorbenen für alle Friedhofsbesucher sichtbar sind, kann einen letzten Wunsch auch im Inneren des Grabmales unterbringen. „Dazu würde in den Stein eine Hohlbohrung gesetzt werden, in die man ein Foto oder einen Brief legen kann. Bisher wurde das noch nicht gemacht, aber ich habe vor, diese Idee so bald wie möglich umzusetzen.“

Neue Ideen zu entwickeln, die dazu beitragen, dass Angehörige den Friedhof mit einem besseren Gefühl betreten und sich dort gern länger aufhalten, ist Stefan Königsfeld wichtig. „Es gibt Ansätze dafür, dass der Friedhof wieder mehr ins Leben zurückgeholt wird. Zum Beispiel könnte man diesen parkähnlich anlegen oder besondere Grabfelder gestalten, die zum Beispiel unter dem Motto ,Rosengarten‘ stehen. Das ist nicht einfach, da es mit vielen Kosten verbunden ist und alle Friedhofschaffenden zusammenarbeiten müssten. Aber es würde sich lohnen.“

Zum Abschluss unseres Besuches führt uns Stefan Königsfeld durch seine Werkstatt. Hier stehen halbfertige Grabsteine, eine Jahrespraktikantin säubert Marmorplatten, eine Gesellin flext überstehendes Gestein ab. Es herrscht gute Stimmung, es wird viel gelacht. Auf die Frage, wie sein eigener Grabstein später einmal aussehen soll, antwortet der 49-Jährige lächelnd: „Ich würde einen nehmen, der eine Geschichte erzählt. Der vielleicht Inschriften enthält, die man erst auf den zweiten  Blick lesen kann.“

 

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