Die jugendliche Tochter eines befreundeten Paares hat sich umgebracht. Ich bin nun ganz unsicher, wie ich dem Paar begegnen soll. Soll ich es darauf ansprechen oder soll ich abwarten, bis die Eltern darauf zu sprechen kommen?
Lieber Ratsuchender,
Ihre Unsicherheit zeugt von Sensibilität, wollen Sie doch einerseits nicht zu nahe treten und andererseits nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre. Nicht gut wäre es, die Trauernden einzuladen, sich bei Ihnen bei Gesprächsbedarf zu melden. Denn wer trauert, wird von sich aus nicht aktiv, sondern fühlt sich gelähmt, erstarrt und einsam. Weil ihn die Trauer stetig umtreibt, ist er dankbar, wenn er gefragt wird, wie ihm zumute ist und so seine Trauer geteilt wird. Wenn Sie also Ihr Mitgefühl in Worte fassen, können Sie nichts falsch machen. Kommt es im Augenblick ungelegen, werden die Trauernden Ihnen das zu verstehen geben. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Ihre Freunde dankbar sind, wenn Sie um den selbstgewählten Tod ihres Kindes keinen Bogen machen, sondern über die Trauer und über Ihre Erlebnisse mit dem Kind sprechen.
Angehörige nach Suizid haben mit erzählt, dass die Reaktion auf den Tod im Freundeskreis Spreu vom Weizen getrennt hat. Einige verstummten, einige verloren sich in Alltagsgeplänkel, einige teilten leidvolle und auch freudvolle Erinnerungen an den Verstorbenen mit ihnen. Den Mut dazu wünsche ich Ihnen von Herzen
Ihr Olaf Meier