Betrifft

Wie sich Zivilcourage trainieren lässt

13. Juni 2023

 

HINSCHAUEN STATT  WEGSEHEN

Warum wir mehr Zivilcourage brauchen – und wie sie sich trainieren lässt

Zivilcourage – was ist das eigentlich? Da muss Horst Storb, der 43 Jahre als Polizist in Gelsenkirchen gearbeitet hat, nicht lange überlegen. „Zivilcourage verbinde ich persönlich mit dem Wort selbstlos. Es geht darum, nicht nur an sich zu denken, sondern auch für seine Mitmenschen einzustehen – gerade da, wo andere sich wegducken.“ Das braucht natürlich Mut. Und genau darum geht es auch, wenn man das Wort Zivilcourage in seine zwei Bestandteile zerlegt: „Zivil“ stammt vom lateinischen „civilis“ und heißt „bürgerlich“, das französische „Courage“ bedeutet „Mut“. Wir brauchen also nicht noch mehr draufgängerische Menschen, sondern mehr mutige. Horst Storb, der inzwischen als Trainer und Coach für Selbstbehauptung und Zivilcourage arbeitet, warnt jedoch: „Für sich einzustehen bedeutet nicht, sich selbst zu gefährden.“ Richtig verstandene Zivilcourage hält vielmehr beide Seiten im Blick – die anderen und sich selbst. Doch wie kann das in der Praxis aussehen? Der Experte schlägt in BENE fünf Lösungen für typische Alltagssituationen vor, in denen Zivilcourage gefragt ist.

Text Jutta Oster

DISKRIMINIERUNG UND RASSISMUS

Die Situation: Jemand lässt im privaten Umfeld einen Spruch los, der eine Gruppe von Menschen etwa wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung beleidigt.

Der Praxistipp: Horst Storb rät dazu, die Äußerung zunächst zu „dekodieren“, das heißt zu entschlüsseln. Etwa so: „Erzähl mir doch mal von deinen Erfahrungen. Wie kommst du darauf?“ Im nächsten Schritt geht es darum, dem etwas Positives entgegenzusetzen („Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass …“) und entschieden darum zu bitten, dass solche Äußerungen künftig nicht mehr in der Runde fallen. Wichtig dabei: ebenso ruhig wie klar zu bleiben.

VANDALISMUS IM ÖFFENTLICHEN RAUM

Die Situation: Sie beobachten am späten Abend, dass eine Gruppe von Jugendlichen ihrer Zerstörungswut freien Lauf lässt, beispielsweise abgestellte Fahrräder vorm Bahnhof kurz und klein tritt.

Der Praxistipp: Der Experte empfiehlt, die Gruppe direkt anzusprechen: „Würdet ihr mit eurem Eigentum auch so umgehen?“ Dabei ist es wichtig, gesunden Abstand zu wahren, denn die Jugendlichen könnten bewaffnet sein, und die Eigensicherheit geht vor. Im nächsten Schritt muss dann die Polizei über die 110 benachrichtigt werden. Dafür gehen Sie vom Geschehen weg. Es kann auch sinnvoll sein, sich Verstärkung durch andere Passanten zu holen.

KÖRPERLICHE ÜBERGRIFFE

Die Situation: Zwei Menschen streiten sich laut auf der Straße und werden dabei handgreiflich.

Der Praxistipp: Am besten rufen Sie laut dazwischen: „Kann ich Ihnen helfen? Was soll das?“ Nach Erfahrung von Horst Storb sorgen Fragen für eine Unterbrechung des Geschehens – wer nachdenkt, ist abgelenkt. Sie können auch ankündigen, dass die Polizei unterwegs ist, die Sie per Handy benachrichtigt haben. Auch dabei gilt: ruhig bleiben und Abstand wahren. Um eine feste Stimme zu haben, ist es hilfreich, vorher einmal tief durchzuatmen.

EINE PERSON BRAUCHT HILFE

Die Situation: Eine Person liegt auf der Straße, im Zug oder in der U-Bahn-Station. Im ersten Moment ist nicht klar erkennbar, ob sie ansprechbar ist oder Hilfe braucht.

Der Praxistipp: Bitte keinen falschen Aktionismus, rät der Experte. Er empfiehlt, die Person zunächst anzusprechen und zu fragen, ob sie Hilfe benötigt. Denn der freie Wille zählt – viele Menschen, zum Beispiel Obdachlose oder Drogenabhängige, möchten nicht, dass man gleich einen Krankenwagen ruft. Wenn die Person aber nicht ansprechbar ist oder der Verdacht etwa auf eine Überdosis besteht, muss der Rettungsdienst über die 112 benachrichtigt werden. Auch im Winter ist besondere     Aufmerksamkeit gefragt. Viele Hilfsorganisationen     betreiben Kältebusse.

SEXUELLE BELÄSTIGUNG

Die Situation: Ein Mensch wird in der Bahn von anderen mit Worten belästigt.

Der Praxistipp: Entscheidend ist, der betroffenen Person Schutz zu bieten und sie aus der Situation zu holen, so der Polizist a.D. Etwa so: „Was machst du hier? Wir haben uns lange nicht gesehen. Sind das deine Freunde? Setz dich doch zu mir.“ Man kann auch darauf hinweisen, dass öffentliche Verkehrsmittel in der Regel über Kameras verfügen, die das Geschehen aufzeichnen. Im nächsten Schritt ist es sinnvoll, die Fahrerin oder den Fahrer zu informieren, dass die Leitstelle benachrichtigt oder gleich die Polizei gerufen wird.

Regeln der Polizei für den Ernstfall:

-     Hilf, aber bring dich nicht in Gefahr.
-     Ruf die Polizei unter 110.
-     Bitte andere um Mithilfe.
-     Präg dir Merkmale der Person ein, die die Tat begeht.
-     Kümmer dich um Opfer.
-     Mach bei der Polizei eine Aussage, was du gesehen hast.

Weitere Empfehlungen finden sich auf dem Portal der Polizei zu Zivilcourage: www.aktion-tu-was.de. Trainings zu Zivilcourage bietet beispielsweise die Stiftung muTiger mit Sitz in Gelsenkirchen an: www.mutiger.de

Preis für Toleranz und Zivilcourage

Für Demokratie und Solidarität setzt sich zum Beispiel das Duisburger „Bündnis für Toleranz & Zivilcourage“ ein, zu dem auch die Katholische Stadtkirche gehört. Es wurde im Jahr 2000 nach dem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge gegründet und verleiht jährlich zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar seinen „Preis für Toleranz und Zivilcourage“ an Gruppen und Einzelpersonen, die sich in Duisburg gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit einsetzen. In diesem Jahr wurde das Bischöfliche Abtei-Gymnasium für seine Aktion „Das Abtei vergisst nicht“ ausgezeichnet. Vorschläge für die nächste Verleihung können bis zum 9. November eingereicht werden.

Mehr dazu unter: www.toleranz-zivilcourage-duisburg.de

 

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