Lebensart

Heilfasten: Neustart für Körper und Seele

Tagelang auf feste Nahrung zu verzichten und ausschließlich Wasser, Tee und Brühe zu sich zu nehmen: Das klingt erstmal eher beängstigend. Doch dieser Eindruck täuscht. Denn gerade in einer Zeit des Überflusses kann es eine nahezu magische Erfahrung sein, sein Heil im Fasten zu suchen.

Das wusste bereits Hippokrates (460 bis 370 v. Chr.). In seinem Regelwerk für eine harmonische Lebensordnung hob der griechische Arzt die heilsamen Effekte des Heilfastens hervor. Hippokrates sah darin die wirkungsvollste Art, „den inneren Arzt“ tätig werden zu lassen. Der Verzicht auf Nahrung helfe dabei, die dem Menschen innewohnenden Lebenskräfte zu mobilisieren und zu verbessern. „Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente“, erklärte er. 

Das Fasten blickt also auf eine jahrtausendealte Geschichte zu-rück. Es hat in nahezu allen Religionen Tradition. So beginnt für die Christen an Aschermittwoch eine 40-tägige Fastenzeit, die bis zur Osternacht anhält. Muslime üben sich während des Fasten-monats Ramadan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in Enthaltsamkeit. Buddhistische Mönche und Nonnen fasten täg-lich ab zwölf Uhr mittags, und auch im Hinduismus spielt die kontrollierte Nahrungszufuhr eine große Rolle. Das Ziel all dieser Praktiken: innere Einkehr zu finden. Denn, da sind sich Ärzte und Heilkundige von Hippokrates über Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) bis hin zu den integrativ orientierten Medizinern von heute einig: Die heilbringende Quelle liegt im Menschen selbst.

Einer dieser integrativ orientierten Mediziner ist Professor und Klinikdirektor André-Michael Beer, der in der Naturheilkundeklinik Blankenstein (gehört zum Katholischen Klinikum Bochum) in Hattingen Patienten betreut, die unter chronischen Krankheiten leiden. Eingewiesen werden diese unter anderem mit starken Rückenschmerzen, hochentzündlichem Rheuma, Arthrose, Hautkrankheiten, Reizmagen oder -darm. Behandelt werden sie mit klassischen Naturheilverfahren wie der Phyto-, Hydro-, Bewegungs-, Ordnungs- und Ernährungstherapie. Ein Hauptbestandteil der Ernährungstherapie ist das Heilfasten. „Die häufigste Form ist das Heilfasten nach Otto Buchinger, das fünf bis sieben Tage dauert“, so Professor Beer. Gestartet wird die Fastenkur mit einem Entlastungstag, an dem man sich mit leicht verdaulicher, vegetarischer Vollwerternährung auf das Heilfasten einstimmt. An den darauffolgenden fünf bis sieben Fastentagen nehmen die Patienten mittags und abends lediglich Gemüsebrühe und Gemüsesaft zu sich. Außerdem trinken sie pro Tag mindestens zwei bis zweieinhalb Liter Wasser oder Tee. Fastenbegleitend wird der Darm mit Einläufen und Bittersalzen gereinigt. Warme Leibwickel fördern die Durchblutung und regen den Stoffwechsel an. „Ergänzend erhalten die Patienten eine pflanzliche Therapiemaßnah-me“, erklärt Diplom-Ökotrophologin Tanja Pötschke, die als Ernährungstherapeutin in der Klinik arbeitet. Nach den Fastentagen wird über zwei bis drei Tage ein sorgfältiger Aufbau mit einer leichten, ballaststoffreichen Kost durchgeführt. Dieser Aufbau ist wichtig, damit Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen wieder aufgenommen werden können.

Während des Heilfastens heißt es: Alles auf Null! Abschalten, zur Ruhe kommen, durchatmen. Der Körper funktioniert, indem er auf seine Reserven zurückgreift. Zunächst werden die noch vor-handenen Kohlenhydrate verwertet. Danach wird Traubenzucker (Glukose) als vorrangige Energiequelle bereitgestellt. Ein weiteres Kennzeichen des Fastenstoffwechsels ist die zunehmende Umwandlung von Fettsäuren in Ketonkörper. „Das ist so, als ob man einen Resetknopf drückt“, so Ökotrophologin Tanja Pötschke.
„Der Organismus muss sich nicht mehr mit unnötiger Verdau-ungsarbeit beschäftigen, die Schleimhäute regenerien sich, die Geschmacksknopsen auf der Zunge erholen sich. Nahrungsmittel werden intensiver wahrgenommen.“ Die Chance, seine Ernährung nach dem Fasten langfristig zu verändern und dauerhaft Ge-wicht zu verlieren, sei viel höher, da der Verzicht auf Genussmittel wie zum Beispiel Schokolade generell leichter falle.

Beer: „Der Körper stellt sich um, er geht in einen neuen Weg hi-nein, den er bisher nicht kannte. Der ganze Stoffwechsel wird neu ausgerichtet.“ Viele seiner Patienten seien nach dem Aufenthalt in der Klinik beschwerdefrei, benötigen weniger Medikamente. Die Wirkung des Heilfastens ist enorm: Die Zellneubildung wird beschleunigt. Blutdruck, Blutfettgehalt, Blutzucker und Harnsäure normalisieren sich, Herz und Kreislauf werden entlastet. Außerdem werden die Nährstoffe im Körper besser verwertet, die Leistungskraft erhöht sich. Es kommt zur Ausscheidung von Stoffwechselabfällen und Giften. „Durch das Heilfasten findet der Körper zu seiner inneren Ordnung zurück. Das ist eine Art Hausputz im körperlichen, geistigen und seelischen Bereich“, so Tanja Pötschke. Viele Patienten können nach dem Heilfasten häufig „klarer sehen“. Sie fühlen sich stärker, haben wieder mehr Kontrolle über ihr Leben.

Der griechische Kirchenlehrer Johannes Chrysostomus (lebte um 350 bis 407) verglich diese Art des Verzichts sogar mit einer göttlichen Eingebung. „Das Fasten ist die Speise der Seele“, erkannte er. „Wie die körperliche Speise stärkt, so macht das Fasten die Seele kräftiger und verschafft ihr Flügel, hebt sie empor und lässt sie über himmlische Dinge nachdenken, indem es sie über Lüste und die Freuden des gegenwärtigen Lebens erhaben macht.“

Weitere Infos: www.naturheilkunde.klinikum-bochum.de

Fotos: Achim Pohl/ Shutterstock

Ich fühle mich jetzt wie befreit

Sein Leben war vor allem eines: hektisch.
Als IT-Spezialist reist Axel Lohmann (64) quer durch die Nation, pendelt zwischen seinen Arbeitsorten und seiner Heimat hin und her. Er ernährt sich ungesund, lässt Mahlzeiten ausfallen. Seit Oktober ist er Rentner. „Endlich hatte ich die Chance, mir Zeit für mich selbst zu nehmen. Vorher war ich in einem Teufelskreis gefangen.“ Er lässt sich in die Klinik Blankenstein einweisen, fastet fünf Tage lang. „Es kamen in dieser Zeit eine ganze Reihe von Dingen hoch, mit denen ich mich beschäftigt habe. Beim Fasten konnte ich meine Gedanken sortieren und vom Alltag Abstand gewinnen.“ Er nahm knapp sieben Kilogramm ab, startet jetzt mit einer Ernährungsumstellung, um weitere zehn Kilogramm zu verlieren. Axel Lohmann geht es wieder besser. „Ich fühle mich jetzt wie befreit.“

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