Bekenntnisse

Was wir von einer entlaufenen Nonne lernen können

Fernsehmoderatorin Petra Gerster

Foto: Gabriel-Verlag

BENE: Sie sind als Moderatorin der „heute“-Sendung täglich mit vielen Brennpunkten auf der Welt konfrontiert. In den letzten Jahren überwiegen gefühlt die schlechten, die traurigen Nachrichten. Wie lässt sich das aushalten?

Petra Gerster: Es gibt bei Nachrichtenleuten ja den zynischen Spruch „bad news is good news“: Er spiegelt die Erfahrung, dass die Quoten steigen, je spannungsgeladener es in der Welt zugeht. Also:

Je maßloser sich Erdogan oder Trump gebärden, desto mehr Leute schauen Nachrichten. Was mich manchmal fertig macht, ist die Wahrnehmung an mir selber, dass wir uns an die täglichen Toten in Syrien oder im Mittelmeer so gewöhnt haben, dass sie uns kaum noch berühren. Andererseits muss ich mich auch schützen, denn ohne professionelle Distanz geht es in diesem Beruf nicht. Sie hilft, sachlich und rational zu bleiben, während der Zuschauer zuhause emotional reagieren darf.

BENE: Für Ihre Reportagen sind Sie auch nach Rom und ins Heilige Land gereist. Welche Erfahrungen oder Erkenntnisse sind Ihnen präsent geblieben?

Gerster: Bei meinen Reisen nach Rom, Israel und in die alten Christengebiete an der türkischen Westküste staune ich immer wieder darüber, wie viele kulturelle historische überschneidungen und ähnlichkeiten es in den drei abrahamitischen Religionen gibt. Christentum, Judentum und Islam haben dieselbe Wurzel im griechisch-römischen Altertum. Umso tragischer finde ich, wie feindselig sie sich heute begegnen. Aber auch Katholiken und Protestanten haben ja lange gebraucht, bis sie sich gegenseitig respektierten.

BENE: Mit ihrem Mann Christian Nürnberger haben Sie jetzt ein Buch über Martin Luther geschrieben. Sie widmen darin ein Kapitel Luthers Frau, der „entlaufenen Nonne“ Katharina von Bora. Was war besonders an ihr?

Gerster: Alles an ihr ist besonders für eine Frau des 16. Jahrhunderts! Seit ihrem 5. Lebensjahr im Kloster aufgewachsen, kannte Katharina von Bora nichts anderes als ein streng geregeltes frommes Leben hinter hohen Mauern. Dennoch spürte sie als junge Frau mit wachen Sinnen, was in der Welt draußen vor sich ging, weil sie heimlich Luthers Schriften las. Daraus zog sie dann radikale Konsequenzen: Sie beschloss bei Nacht und Nebel zu fliehen und stiftete dazu auch ihre adligen Mitschwestern an. Und dann trug sie dem viel älteren Martin Luther die Ehe an, der sie eigentlich mit einem Stiftsherrn verheiraten wollte. Und erwarb sich mit ihrer Bildung, ihrer Kompetenz in Dingen des praktischen Lebens und ihrer unerhörten Schaffenskraft seinen vollen Respekt. Ohne Katharina von Bora hätte Martin Luther nicht so eine positive Einstellung zu Ehe und Familie gewonnen, wäre die Reformation sicher anders verlaufen: theoretischer, rigider.

BENE: Was können Frauen in der (katholischen) Kirche heute von ihr lernen?

Gerster: Den eigenen Kopf zu gebrauchen und das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Wie nützlich dafür Bildung ist, kann man auch an Katharina sehen. Die hätte sie allerdings außerhalb des Klosters damals kaum erwerben können. Nur in wohlhabenden Adelsfamilien und eben im Kloster hatten Frauen die Chance, sich zu bilden. Darüberhinaus war sie mutig und selbstbewusst – Charaktereigenschaften, die ihr Ehemann durchaus zu schätzen wusste. Gehorsames Dienen war ihre Sache nicht.

BENE: Sie haben nach überstandener Krebserkrankung vor einigen Jahren einmal gesagt: „Keiner besitzt ein Abonnement aufs Glücklichsein.“ Sind Sie heute ein glücklicher Mensch?

Gerster: Uneingeschränkt: ja. Ich habe – abgesehen von der zweimaligen schweren Krankheit (Krebs war es gottseidank nicht, aber ein sehr aggressiver Tumor in der Wirbelsäule) – viel Glück im Leben: vor allem einen wunderbaren Ehemann mit viel Humor und zwei wohlgeratene Kinder, die sich auf gutem Weg befinden. Und mein Beruf macht mir auch Freude, trotz all der schlechten Nachrichten ...

Die Fragen stellte Jutta Laege

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